1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Bäckereien in Wittenberg: Bäckereien in Wittenberg: Experiment Mindestlohn

Bäckereien in Wittenberg Bäckereien in Wittenberg: Experiment Mindestlohn

Von Sabine Wesner 25.11.2014, 09:24
Auch Bäckermeister Frank Jäger wird die Preise anheben.
Auch Bäckermeister Frank Jäger wird die Preise anheben. Achim Kuhn Lizenz

Wittenberg - Ab 1. Januar muss der Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt werden. Da kommt keiner drumherum, sagt Frank Jäger. Wie viele seiner Berufskollegen sieht der Bäckermeister aus Wittenberg dem Datum mit gemischten Gefühlen entgegen. Gestiegene Preise für Material, Energie und Nebenkosten und dann noch der Mindestlohn machen besonders den handwerklichen Bäckereien im Osten Deutschlands zu schaffen. Armin Weber, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, prognostiziert, dass 20 bis 30 Prozent der hiesigen Bäckereien die Zahlung der höheren Löhne nicht überleben werden.

Mindestlohn ist demokratische Entscheidung

„Das wird hart. Auch für andere Branchen“, weiß Jäger. „Aber meine acht Mitarbeiter stehen auch nachts in der Backstube und das bestimmt nicht zum Däumchen drehen. Die leisten gute Arbeit und sollen ordentlich dafür bezahlt werden“, findet der stellvertretende Kreisobermeister der Bäckerinnung im Landkreis Wittenberg. „Der Mindestlohn ist eine demokratische Entscheidung. Ob der Bürger sich letztlich auch demokratisch über die Verbraucherpreise an den höheren Kosten beteiligt, wird sich zeigen“, sagt Jäger. „Um Preiserhöhungen werden wir nicht herumkommen“, so der Chef des Familienbetriebes. „Denn mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro ist es ja nicht getan.

Wenn ich den unseren Hilfskräften zahle, muss ich gerechterweise perspektivisch auch den Lohn der qualifizierteren Vorarbeiter und Gesellen erhöhen“, spricht Jäger von einem weitaus größeren Problem. Diesen Spagat zu schaffen, wird für einige Betriebe zum Experiment, bei dem es auch zu Entlassungen und Kürzung von Stunden kommen wird.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Auswirkungen des Mindestlohns auf Wittenberger Bäckereien.

„Entlassen wollen wir keinen von unseren derzeit sechs Teilzeitkräften. Aber um eine Kürzung der Arbeitsstunden werden wir wohl nicht herumkommen“, sagt Andreas Weise. Vor genau 25 Jahren haben der Gräfenhainichener Bäckermeister und seine Frau Kerstin das Geschäft übernommen.

Angst vor wegbleibenden Kunden

„Doch wenn wir nun alles auf die Verbraucherpreise umlegen, bleiben uns die Kunden weg“, befürchtet das Ehepaar, das schon jetzt auch in seiner Freizeit zunehmend mehr in der Bäckerei arbeitet, um die Kosten in einem erträglichen Rahmen zu halten. „Doch selbst mit dem Mindestlohn werden unsere Leute gar nicht mal so viel mehr in der Lohntüte haben, weil der größte Teil von den Steuern und Lohnnebenkosten aufgefressen wird“, sagt Kerstin Weise.

Keine rosige Zukunft

Auch Bäckermeister Eckhard Große, der mit zwei Angestellten die Einwohner aus Gohrau und Umgebung mit frischem Brot und Brötchen versorgt, malt die Zukunft seiner Bäckerei nicht in rosigen Farben. „Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt. Doch gerade im ländlichen Raum reagieren die Leute sehr empfindlich auf Preiserhöhungen“, weiß der Bäcker. „Wir werden uns einschränken und wie zu DDR-Zeiten nur noch das nötigste investieren. Letztlich müssen die Proportionen stimmen“, sagt Große, der die Politik für das Dilemma im ländlichen Raum verantwortlich macht.

„Die Verantwortlichen sollten sich mal ein Beispiel an Fürst Franz nehmen. Der hat damals nicht nur den Wörlitzer Park sondern auch Bäckereien wie unsere bauen lassen. Die wurden verpachtet und später dann verkauft. Heute dagegen wird alles getan, damit das Wenige, was noch im ländlichen Raum da ist, auch noch kaputtgeht.“ (mz)