Augusteum Augusteum in Wittenberg: Architekt Bruno Vennes stellt sich dem schwierigen Terrain

Wittenberg - „Das Haus ist die reinste statische Katastrophe.“ So ein Satz kommt einem Architekten wie Bruno Vennes gewiss nicht leichtfertig von den Lippen. Doch je länger ihm die Teilnehmer der Führung am Sonnabend zuhören, desto mehr beschleicht auch sie ein ungutes Gefühl.
Als Erweiterungsbau für die Wittenberger Universität Leucorea begann 1580 der Bau des Augusteums („Collegium Augusti“). Benannt ist es nach Kurfürst August. Das Haus entstand auf einem unbebauten Grundstück an der Collegienstraße, dahinter befindet sich ein Hof (im 17. Jahrhundert als Botanischer Garten gestaltet) und das Lutherhaus. Ursprünglich war das Augusteum nur zweigeschossig angelegt, 150 Jahre nach seiner Erbauung wurde es aufgestockt. Neben Studentenstuben und Wirtschaftsräumen fand hier auch die Universitätsbibliothek aus dem Schloss ein neues Domizil.
Wittenberg fiel in Folge der Befreiungskriege und des Wiener Kongresses an Preußen. Die Wittenberger Universität zog nach Halle und wurde mit der dortigen Hochschule vereinigt. Als Entschädigung erhielt Wittenberg 1817 ein Evangelisches Predigerseminar, das seither das Augusteum für die praktische Ausbildung künftiger Pfarrer nutzte. Das Haus wurde mehrfach umgebaut. Nach der Entfestigung erhielt es 1900 auf der östlichen Seite einen neuen Schmuckgiebel. Im Innere des östlichen Gebäudeteils wurden Stahlträger eingezogen, da die Statik zu jenem Zeitpunkt offenbar schon nicht die Beste war. Immer wieder wurde Sand auf die Fußböden geschüttet, wurden neue Bodendielen eingezogen.
1930 kam es zum Anbau des zweiten Treppenhauses. Damals war auch ein Ostflügel am Hof geplant, dieser wurde nie realisiert. Zu DDR-Zeiten gab es zwar erhaltende Baumaßnahmen, grundlegend saniert wurde jedoch nicht. Die Planung für die jetzige Sanierung begann 2010. (mz/kbl)
Vor allem wenn der Berliner Fachmann sagt: „Das hätte eines Tages auch einstürzen können.“ Durchgebogene Balken, Säulen, die mit ihrem unteren Ende frei in der Luft hingen - es ist ein abenteuerlicher Bericht, den Vennes anlässlich des Tages der Architektur in dem alten Gemäuer gibt.
Zehn Interessierte haben sich trotz brütender Hitze eingefunden. Zum Glück ist es drinnen in dem Teil, wo im vorigen Jahr noch die Landesausstellung zu sehen war, erträglicher.
Sichern, umbauen, sanieren
Die Berliner Architektengesellschaft, der auch Vennes angehört, hatte 2010 den Auftrag zur Sanierung des Hauses erhalten. Ein Jahr habe es gedauert, ehe Denkmalpflege, Stiftung Luthergedenkstätten und die Stadt Wittenberg aus verschiedenen Varianten einen praktikablen Entwurf für das Haus entwickelt hatten. Dann wurde es 2013, ehe das Predigerseminar auszog und der tatsächliche Zustand des Hauses sichtbar wurde.
Sichern, umbauen, sanieren, für neue Aufgaben vorbereiten, hieß die Aufgabe der Architekten. Der Gedanke, alle Ausstellungsräume zu klimatisieren, wurde wegen zu massiver Eingriffe in die Gesamtstruktur verworfen.
Die Idee, den Zugang über das Direktorenhaus zu ermöglichen und dort einen Aufzug anzubauen, ebenfalls. „Wir haben das östliche Treppenhaus zurückgebaut und 80 Zentimeter breiter wieder aufgebaut“, erläutert Bruno Vennes die Lösung. So konnte die Treppe breiter und ein Aufzug installiert werden.
Manches erhalten, manches muss weg
Zudem wird das Treppenhaus genutzt, um die Lüftungskanäle von der Zentrale unter dem Dach nach unten zu legen. Dort im Erdgeschoss ist der klimatisierte Raum für die wertvollsten Exponate.
Denn das Haus soll auch künftig Ausstellungen aufnehmen. Doch Vennes räumt auch ein: „Wenn wir vorher gewusst hätten, was wir finden, hätten wird es anders gelöst.“ Reste eines alten Stadtturms wurden bei den Umbauten entdeckt wie Fundamente der alten Kapelle und Teile des Friedhofs.
Manches im Innern wurde im Wesentlichen gelassen, wie es schon 1900 verändert wurde. Die eckigen Säulen im Fürstensaal etwa, an die die halbierten älteren Holzsäulen als Zier angebracht wurden.
Decke gesichert
Im westlichen Teil des Hauses an der Collegienstraße, hier war ehemals das anatomische Museum, ist der einst schlimme Zustand zu erahnen. Die Decken seien mit Stahlträgern abgefangen, „die historischen Balken tragen jetzt nichts mehr“.
Teilweise mussten die Deckenfelder komplett erneuert werden. Hier soll künftig die Museumspädagogik ihren Sitz haben, mit einem eigenen Eingang zur Straße hin.
Ein kurzer Blick in die frühere Kapelle des Predigerseminars zeigt, dass sich hier ein Gewölbe befindet. „Es hat keine statische Funktion und ist später eingebaut worden“, sagt Bruno Vennes. Man habe wohl irgendwann mal Angst gehabt, dass auch hier die Decke herunterkommt.
Bauhütte der Region
Bauen mit Termindruck, Pause, wieder Sanieren, wieder Pause - das sei schon ungewöhnlich, so der Architekt. Die erste Pause entstand 2015 durch die Landesausstellung über Cranach den Jüngeren, für die der Ostteil hergerichtet sein musste.
Jetzt ist wieder Sanieren angesagt, neben dem Westteil des Hauses werden ab September auch die Freianlagen und der Hof hergerichtet. „Der Ausbau des Seitenflügels und die Räume für die Verwaltung kommen erst 2018.“ Man habe gute Unterstützung durch den Direktor der Stiftung, lobt Vennes. „Der hat auch Spaß am Bauen. Und wir haben tolle Handwerker hier. Die Firmen kommen fast alle aus der Region, das ist wie eine Bauhütte.“ (mz)