1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Archäologen gehen auf Unternehmen zu

Archäologen gehen auf Unternehmen zu

Von Dirk Skrzypczak 19.03.2008, 19:19

Coswig/MZ. - Wobei es auch die gute für die "WS Coswiger Wellpappe und Papierverarbeitung GmbH" in sich hat. So will das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege zwar von der großen Grabungsvariante auf dem Gelände der Firma absehen, eine aufwendige Prospektion wird es dennoch geben. Etwa 120 000 Euro muss das Unternehmen nach Angaben von Geschäftsführer Lutz Seydler für die Untersuchungen zahlen. Die ursprünglich angesetzte Summe war mehr als zweimal so hoch.

"Wir sind in einem Teufelskreis gefangen und kommen dort wahrscheinlich auch nicht mehr raus", weiß Seydler um die Problematik. Nach dem Verursacherprinzip muss in Sachsen-Anhalt derjenige für archäologische Forschungen aufkommen, der einen Eingriff in das Erdreich plant. Nun soll möglichst noch innerhalb dieses Jahres eine neue Produktionshalle mit modernen Maschinen und einem Lager auf dem Firmengelände entstehen (die MZ berichtete). Auf rund 3,4 Millionen Euro belaufen sich die Investitionskosten. Mit der Erweiterung will der Spezialist für die Herstellung und Verarbeitung von Wellpappe seine Marktstellung festigen und neue Geschäftsfelder erschließen. Fünf weitere Arbeitsplätze werden geschaffen. Bislang sind in dem Betrieb 40 Angestellte in Lohn und Brot.

Das Familienunternehmen hat jedoch ein Problem: seine Lage. Einerseits ist der Standort als archäologisches Flächendenkmal eingestuft, andererseits befindet er sich im Außenbereich der Stadt. Um Baurecht zu schaffen, muss ein Bebauungsplan aufgestellt werden.

Diese gesetzlich notwendige Hürde dürfte noch relativ leicht zu meistern sein, zumal der Bauamtsleiter die Unterstützung der Kommune versichert. "Wir tun, was wir können, um der Firma so weit es geht zu helfen." Tatsächlich hat Bürgermeisterin Doris Berlin aufgrund des besonderen Härtefalls zugesagt, dass sich die Stadt an den B-Plan-Kosten beteiligen wird. "Dafür bin ich sehr dankbar", freut sich Seydler. Auch das Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt und die Archäologen wollen der Firma entgegen kommen und suchen nach Möglichkeiten, die Zusatzbelastung im halbwegs erträglichen Rahmen zu halten. "Es kann doch nicht sein, dass ein Betrieb bestraft wird, weil er investieren und Arbeitsplätze schaffen will", spielt Seydler auf das Dilemma mit dem Bodendenkmal an. Schon 1949 wurden hier frühgeschichtliche Funde freigelegt, als man Pflanzgruben für Bäume aushob.

Um nun den Aufwand der Prospektion abschätzen zu können, hat die Firmenspitze unlängst die Forscher 14 Tage graben lassen. "Elf Urnen und eine Brandstelle haben sie gefunden", erzählt der Geschäftsführer. Verwunderlich ist das nicht, schließlich war der Südhang über der Elbe in diesem Abschnitt schon ab dem Mesolithikum (8 000 vor Christus) eine attraktive Wohngegend für die Siedler. Darauf lassen umfangreiche Funde bei Grabungen vor acht Jahren und 2007 auf dem nahen Buroer Feld jedenfalls schließen.

Nun können sich Seydlers drehen und wenden, wie sie wollen, um die Prospektion kommen sie nicht herum. Drei Monate sollen die Grabungen dauern, hat die Geschäftsführung mit den Archäologen vereinbart. Gleichzeitig hofft das Unternehmen auf eine Investitionsförderung vom Land. "Wir werden am Bau Abstriche machen, um die Zusatzkosten aufbringen zu können", kündigt Lutz Seydler an. So verzichte man vorerst auf ein neues Sozialgebäude zugunsten der Fertigungsstrecke. Bei einem Vor-Ort-Termin in den nächsten Tagen sollen die Details festgezurrt werden. Die Geschäftsleitung hofft, dass die Bauarbeiter spätestens am 1. August anrücken können. Das wäre für die "WS Wellpappe" eine gute Nachricht.