Arbeiten als Militärpfarrer Arbeiten als Militärpfarrer: Michael Reis begleitet Soldaten in Krisengebiete

wittenberg - 2012 war Michael Reis in Afghanistan, 2015 im Kosovo. Nächstes Jahr wird er erneut nach Afghanistan gehen, denn noch immer ist die Bundeswehr vor Ort. Reis ist kein Soldat sondern Militärpfarrer - seine Waffe, wenn man das mal so sagen kann, ist das Evangelium. Verkündigung und Ethikunterricht, besonders Seelsorgearbeit sind seine Aufgaben, am Standort im mecklenburgischen Hagenow und, natürlich, „im Einsatz“.
Reden über Krieg und Frieden
Ein spezieller Einsatz führt Reis, Jahrgang 1967, dieser Tage nach Wittenberg. Auf der Weltausstellung Reformation kann man ihn im Café Friedenswege oberhalb des Schwanenteichs treffen und ins Gespräch kommen - über das Leben, über Krieg und Frieden, über das, was die Soldaten aus Deutschland am Hindukusch bewegt.
Da geht es um vieles. Um familiäre Belange ebenso wie um Akzeptanzprobleme in der Heimat. Und um psychische Probleme, die aus dem resultieren, was die Deutschen in dieser anderen Welt (der Taliban) erleben. Da werden Kinder als Schutzschilde missbraucht, Mädchen werden zwangsverheiratet, es gibt Steinigungen. Reis nennt noch mehr Grausamkeiten. Und er sagt, er kann verstehen, wenn Soldaten wütend werden. „Aber ich werde auch immer für die Feinde beten, für die Taliban. Es bleiben Menschen“, betont der Pfarrer, der es bei seiner Arbeit zwar viel mit Nichtgläubigen zu tun hat. Aber im Angesicht von Krieg und Terror ändern sich Betrachtungsweisen und Bedürfnisse. Um es mit Reis zu sagen: „Der Schützengraben kennt keine Atheisten.“
Gut 80 Bundeswehrangehörige aus Marine, Heer, Luftwaffe, Sanitätsdienst, Cyber und Streitkräftebasis treffen sich derzeit in Wittenberg zu einem Friedenscamp. Im Mittelpunkt stehen Begegnungen und Seminare zu den Themen Frieden und Versöhnung. Eingeplant sei der Besuch der Weltausstellung Reformation, die in ihrem Programm bis kommenden Montag die Themenwoche „Frieden“ veranstaltet. Träger des Friedenscamps ist die Evangelische Militärseelsorge.
„Streit leben - Frieden gestalten“ ist das Motto einer Veranstaltung (u. a. vom Friedenskreis Halle) am 17. Juli um 10 Uhr im Café Friedenswege am Schwanenteich. Es sollen praktische Einblicke in die zivile Konfliktbearbeitung gegeben werden.
Dass der gebürtige Kühlungsborner einmal Militärpfarrer werden würde, war ihm nicht vorbestimmt. Zu DDR-Zeiten war der junge Mann aus einem kirchlich geprägten Elternhaus Totalverweigerer für den Kriegsdienst. Lokführer durfte er nicht mehr sein, es begannen typische Schikanen, die die Staatsgewalt für jene bereit hielt, die nicht auf Linie waren. „Aufgefangen“ hat ihn die Kirche - nach der politischen Wende studierte er Theologie, wurde Gemeindepfarrer, später Seelsorger in der Bundeswehr.
In dieser Funktion würde Reis gut zu seinen Kollegen am Seelsorge-Riesenrad auf der Weltausstellung passen. Doch auch das Café Friedenswege ist ein geeigneter Ort - als ein Entree zum Torraum Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die Szenerie der Flechtboote auf dem Schwanenteich im Hintergrund mutet idyllisch an, doch täuscht dieser Eindruck bekanntlich: Mit den Objekten und seit kurzem mit einem richtigen Flüchtlingsboot soll auf die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik hingewiesen werden.
Friedensarbeiter vor Ort
Kriege sind eine Fluchtursache auf der Welt. Dass aber Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Gewalt, steht nun auf einem Plakat vor dem Café Friedenswege in Wittenberg und auch, dass Friede Gerechtigkeit zum Ziel hat. Zum Interviewtermin sind neben Militärseelsorger Reis mit Carolin Holtmann und Horst Scheffler zwei Vertreter der evangelischen Friedensarbeit vor Ort. Weil die erwarteten Besucherströme sich bislang in Grenzen halten, „läuft der Dialog ein bisschen anders als geplant“, wie Scheffler es formuliert. In Holtmanns Fall sieht das so aus, dass sie nachmittags Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak Deutschunterricht gibt.
Was auch bei dieser Stippvisite im Café Friedenswege wieder einmal deutlich wird? Die Weltausstellung Reformation feiert weniger die Vergangenheit, umso mehr lädt sie ein, Fragen aus dem Hier und Jetzt zu diskutieren. Dafür stehen in den Torräumen kluge, interessante und sympathische Gesprächspartner bereit.
(mz)