Alterspräsident Eckhard Naumann bei konstituierender Sitzung Appell an den neuen Kreistag: Mandat ist kein „Freibrief für Unsinn“
Neu gewählter Kreistag nimmt in Wittenberg die Arbeit auf. Die Vorsitze der Ausschüsse sind verteilt, die Chefs der Fraktionen bekannt gegeben. Landrat wünscht sich „Toleranz für Mehrheitsentscheidungen“.
Wittenberg/MZ. - Die Verpflichtungsformel ist gesprochen, die Unterschriften sind geleistet: Der neu gewählte Kreistag, in dem sich wie berichtet, die Mehrheitsverhältnisse verschoben haben, was schon an der Sitzordnung abzulesen ist, hat am Donnerstag seine Arbeit aufgenommen.
Hauptsatzung geändert
Und zwar relativ unspektakulär. Beschlüsse etwa über die Geschäftsordnung oder die geänderte Hauptsatzung, die zum Beispiel die Zusammenlegung des Kreis- und des Finanzausschusses vorsieht und dem Ausschuss Schule und Kultur nun auch den Sport hinzufügt, sind mit großer Mehrheit bei jeweils einer Enthaltung gefasst worden. Christdemokrat Enrico Schilling wurde ohne Gegenkandidat einstimmig zum Kreistagsvorsitzenden gewählt, allein für die beiden Stellvertreter-Posten gab es wie berichtet jeweils zwei Bewerber. AfD-Mann Jörg Weulbier unterlag in beiden Wahlen, erhielt allerdings mehr Stimmen als die AfD im Kreistag hat.
Die Partei verfügt über 14 Sitze, für Weulbier votierten in der ersten Runde 17 Abgeordnete, in der zweiten 21. Gewählt worden sind Matthias Hauss (Freie Wähler, erster Stellvertreter) und Patrick Schubert (CDU, zweiter Stellvertreter). Geregelt werden bei den konstituierenden Sitzungen auch die Vorsitze der Ausschüsse. Danach übernimmt die CDU den Ausschuss Bau, Wirtschaft, Verkehr (Frank Brettschneider), zudem den Rechnungsprüfungsausschuss (Patrick Schubert). Der AfD stehen ebenfalls zwei Vorsitze zu, sie führt künftig die Ausschüsse Schule, Kultur und Sport (Anne Grünschneder) sowie Umwelt, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft (Matthias Lieschke). Der SPD bleibt der Ausschuss Gesundheit und Soziales (Eckhard Naumann). Der kombinierte Kreis- und Finanzausschuss liegt beim Landrat.
Bei den Fraktionschefs hat sich nicht sonderlich viel verändert. Bei der CDU ist es wieder Frank Brettschneider, bei der AfD Matthias Lieschke, bei den Freien Wählern Peter Müller, bei der SPD Reinhard Rauschning. Lediglich bei den dezimierten Linken taucht ein neuer, freilich ziemlich bekannter Name auf: Jürgen Dannenberg, Landrat a.D., wird die vierköpfige Fraktion im Kreistag künftig führen.
Keine Diskussion gab es bei dem Treffen im Übrigen beim Thema Wahl-Panne im Wahlbezirk 21, wo falsche Stimmzettel ausgegeben wurden (die MZ berichtete). Das Wahlergebnis und die notwendige Wahlwiederholung in Thießen sind einstimmig beschlossen worden.
Zu Beginn der Sitzung hat Landrat Christian Tylsch (CDU) auf die anstehenden Herausforderungen hingewiesen: „Unsere finanzielle Situation ist besorgniserregend.“ Allerdings sei es zu einfach, mit dem Finger auf Land oder Bund zu zeigen. Tylsch: „Die Ursachen und Lösungen unserer Probleme liegen tiefer. Einfach nur Forderungen zu stellen, führt uns nicht weiter. Wir brauchen ehrliche Antworten auf ehrliche Fragen.“ Es gehöre zur Wahrheit, dass Bund, Länder und Kommunen „an vielen Stellen über ihre Verhältnisse leben“. Das erfordere nicht Kosmetik, sondern das Hinterfragen von Gewohnheiten und Aufgaben. Der Prozess müsse auf allen Ebenen beginnen und werde schmerzhaft. „Je länger wir warten, umso schmerzhafter wird er.“
Lösungen, mahnt Tylsch, müssten in Zusammenarbeit gefunden werden. Sein Wunsch an Kreistag und Mitbürger: „Lassen Sie uns diese Diskussion ohne Polemik und Ideologie führen. Spaltung hat noch nie zu guten Ergebnissen geführt. Dazu brauchen wir Offenheit, Vernunft und Konsens im demokratischen Diskurs. Vor allem aber – und das scheint mir manchmal verlorengegangen zu sein - Toleranz für Mehrheitsentscheidungen, auch und gerade wenn sie nicht die eigene Meinung widerspiegeln.“ In dem Zusammenhang zitiert Wittenbergs Landrat Winston Churchill, der einst sagte: „Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen.“
Dankbar für freie Wahlen
Wenig später hat auch Alterspräsident Eckhard Naumann (SPD) die Gelegenheit für einige Worte, die ihm am Herzen liegen, genutzt. Demokratie, betont er unter anderem, brauche nicht nur Zuschauer und Kritiker, sondern auch Mitspieler. Im Übrigen sei er immer noch dankbar dafür, dass in diesem Land freie Wahlen stattfinden. Er glaube zudem an die weisen Entscheidungen des Wahlvolkes. Das Vertrauen, das die Mandatsträger erhalten, sei allerdings kein „Freibrief für Unsinn“, mahnt der Oberbürgermeister a.D. Es sei eine Art Vorschuss auf Zeit.
Machtmissbrauch hingegen nennt Naumann den „Totengräber der Demokratie“. Und im Übrigen sei es sicher gut, „dem Volk aufs Maul zu schauen, ihm aber nicht nach dem Munde zu reden“.