Gesundheit Apotheken und Versand: Wittenberger Apotheker würde gern Rabatt für chronisch Kranke gewähren

Wittenberg - Christian Buse ist konsequent: Er werde im Gegensatz zu seinen Berufskollegen keine Unterschriftenlisten auslegen! Dabei steht viel auf dem Spiel: „Das Gesundheitssystem ist in Gefahr!“, wird in Apotheken behauptet. Die Bedrohung soll von den internationalen Versandhändlern ausgehen.
Das Thema wird auf der Wittenberger MZ-Facebook-Seite kontrovers diskutiert. 35 MZ-Leser haben ihre Meinung gepostet. Dazu zählen leidenschaftliche Plädoyers für die Läden - „sehr gute Beratung“ - aber auch für den Versandhandel: „günstige Angebote“.
Buse findet das gut so. „Man kann doch den Menschen nicht vorschreiben, wo sie ihre Medikamente kaufen“, sagt der 43-Jährige, der überzeugt ist, dass beide Einkaufsmöglichkeiten ihre Existenzberechtigung haben. „Es wird ein Stück mehr Wettbewerb geben“, so der Experte, der weiter auf seine Apotheke mit den beiden Filialen und auf seinen Versandhandel setzt. „90 Prozent der nicht verschreibungspflichtigen Bestellungen kommen übers Internet“, sagt Buse, der eine Art Pionier des Versandhandels ist.
Patienten sollen mit ihren Unterschriften die Politik zum Handeln zwingen und das Vordringen der Internet-Konkurrenz stoppen. „Aktuelle Entscheidungen der EU machen es ausländischen Konzernen noch einfacher, sich an unserem Gesundheitssystem zu bereichern“, heißt es in einem Aufruf, der in mehreren Apotheken im Kreis Wittenberg ausliegt.
Es geht um ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Demnach schränkt die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente den grenzüberschreitenden freien Warenverkehr ein und verstößt damit gegen EU-Recht. Künftig können Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland zum Ärger der hiesigen Apotheken die deutsche Preisbindung unterlaufen. In dem Aufruf an die Kunden wird weiter beklagt: „Internationale Versandhändler wollen die Rosinen aus unserem System picken, ohne einen wesentlichen Beitrag für Sie, die Patienten, zu leisten. Dies gefährdet Ihre Apotheke vor Ort.“
Schon 2001 habe er auf den Vertriebsweg gesetzt. Gemeinsam mit seinem Bruder Matthias habe er aus der von seinen Eltern gegründeten Robert-Koch-Apotheke ein mittelständisches Unternehmen aufgebaut. 2004 sei man durchgestartet, seit 2009 befinde sich seine Firma am jetzigen Standort in der Friedrichstraße - auf 4.000 Quadratmetern, so der Chef, der inzwischen 200 Mitarbeiter hat, die 1,5 Millionen Kunden betreuen - und das in 118 Ländern.
Die Wittenberger Päckchen gehen bis Neuseeland. „Ich würde auch gern chronisch Kranken einen Rabatt gewähren“, sagt der Geschäftsführer. Die Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente verhindert dies eben. Statt des Festpreises sollte der Höchstpreis geregelt sein. Derzeit müssen die Rezepte noch per Post eingeschickt werden. Andere Länder sind da weiter.
„Über das E-Rezept wird seit zehn Jahren bei uns diskutiert“, so Buse, der als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken „Daten und Fakten“ gesammelt hat. Demnach ist jeder Zweite für die digitale Kommunikation. 81 Prozent sprechen sich für die Online-Zusendung regelmäßiger Rezepte aus. Vorstellbar sei auch, dass der Arzt, statt das Rezept auszudrucken, es auf Wunsch sofort an Apotheker oder Versandhändler weiterleitet.
Natürlich werden die Neuerungen den Wettbewerb verschärfen. Doch da sollte es eben auch fair zugehen. Buse ist verärgert über so manches Argument gegen den Versand. „Das hat das Niveau einer FDJ-Wandzeitung“, sagt Buse. Die vermeintlichen Angriffspunkte sind seit Jahren bekannt. So setzten die Wittenberger zum Start als Werbefigur auf die Schauspielerin Andrea Sawatzki. „Eine Tatort-Kommissarin steht für Seriosität und Sicherheit“, sagt Buse und betont, dass es regelmäßig Kontrollen gibt.
Süffisant weist der Chef auch daraufhin, dass der letzte Skandal im Dezember 2016 sich in einer Bottroper Apotheke ereignet hat. Dort wurden jahrelang unbemerkt Krebs-Medikamente gestreckt.
Auch deshalb ist der Geschäftsführer erzürnt über die Behauptung, dass die Versandhändler alles, was „viel Arbeit“ bedeutet, anderen überlassen würden. „Wir bieten über eine kostenlose Hotline Beratung, fertigen Rezepturen an und beschäftigen Krankenpfleger zur Betreuung chronisch Kranker vor Ort“, so Buse. Seine Firma habe noch einen Extra-Service.
Die Tabletten werden für jeden Einnahmezeitpunkt einzeln verpackt und individuell beschriftet. „Das wird auch gern von Pflegediensten genutzt“, so Rebecca Gutewort. Der Versandhändler kann beim Fall einer Preisbindung aber eine Befürchtung nicht entkräften. „Die Patienten werden gezwungen, sich die billigste Apotheke zu suchen“, sagt Friedemann Schmidt, der Präsident der Apothekerverbände. (mz)
