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Amerikanischer Traum Amerikanischer Traum: Aus Tischlerei wird ein Aparthotel

Von Marcel Duclaud 21.02.2018, 09:51
Ingrid und Gerald Schönemann in einer der beiden Suiten des „Boardinghouse Wittenberg“ - sie trägt den Namen „Las Vegas“.
Ingrid und Gerald Schönemann in einer der beiden Suiten des „Boardinghouse Wittenberg“ - sie trägt den Namen „Las Vegas“. Klitzsch

Dobien - Die Beine hochlegen oder zum fünften Mal auf die Kanarischen Inseln reisen? Für Ingrid Schönemann ist das keine Option. Sie ist 72 Jahre alt, stammt aus dem Ruhrgebiet, aus Recklinghausen, und strahlt Tatkraft aus: „Ich brauche etwas zu tun, hier kann ich was aufbauen. Das macht mich glücklich und zufrieden“, sagt sie und zeigt, um was es sich handelt: „Mein amerikanischer Traum“ - verwirklicht in der Dobiener Bachstraße, ein paar Kilometer weg von Wittenbergs Zentrum.

Die Seniorin hat gemeinsam mit ihrem Mann Gerald Schönemann die alte Tischlerei der Familie in ein Aparthotel verwandelt. Das bietet zurzeit zwei Suiten: „Las Vegas“ und „Harley“. Die schweren Möbel sind tatsächlich eigens aus den USA eingeflogen worden, Ingrid Schönemann mag es stilecht. Und eine Erweiterung auf drei Appartements ist längst geplant. Der kleine Beherbergungsbetrieb läuft.

Als sie die einstige Tischlerei in Dobien erblickte, habe sie sich an „Greeks Hotel“ aus dem Film „Crocodile Dundee“ erinnert gefühlt: „Das hat mich inspiriert, etwas aus dem Haus zu machen“, erklärt die agile Dame, die ihr Faible für die amerikanische Kultur mit ihrem Beruf begründet.

Sie gehörte lange Jahre zu Coca Cola Deutschland, war Hostess bei den Olympischen Spielen in München 1972, kümmerte sich nach der Wende um den Aufbau des Vertriebs in den neuen Ländern und in Polen. „Wir hatten immer mit internationalen Gästen zu tun, oft Amerikaner. Da kriegen Sie was mit von der Mentalität.“

Nach Wittenberg kam die Recklinghausenerin nach dem Krebstod ihres Mannes: „40 Jahre waren wir zusammen. Ich hatte schon abgeschlossen.“ Der Kontakt zu Gerald Schönemann kam über ein Internetportal zustande: feierabend.de, ein Netzwerk für Senioren.

Beim Thema Wohnen im Alter sind sie ins Gespräch gekommen. Das erste Treffen fand in Berlin statt, 2013 bereiste das Paar Südeuropa, 2014 zog Ingrid Schönemann nach Dobien.

Ein Jahr später begannen die Arbeiten am Umbau der einstigen Tischlerei, die Gerald Schönemann bis 2000 auf dem Grundstück der Familie betrieben hatte. Die Spätfolgen eines schweren Unfalls („Ich lag zehn Tage im Koma und musste das Laufen und Sprechen neu lernen“) hatten ihn zum Aufhören gezwungen.

Nach etwa eineinhalb Jahren Bauzeit, dem Absprung einer wichtigen Firma und Investitionen „fast bis zum Pleitegeier“ war das Aparthotel, das Ingrid Schönemann auch „Boardinghouse Wittenberg“ nennt, fertig. Es handelt sich ein bisschen um eine Mischung aus Hotel und Ferienwohnung.

Die großzügigen Appartements verfügen über Bad und Küche, zugleich umfasst der Service auch Frühstück und Wäschetausch. Gäste können sich für eine Nacht einmieten oder aber für ein Jahr.

Das Konzept, das in den USA und in Kanada weit verbreitet ist, funktioniert offenbar auch in Wittenberg. Jedenfalls kann das kleine, ein wenig abgelegene Hotel der Familie Schönemann auf etwa 280 Gäste bisher verweisen. Nicht wenig eingedenk der Tatsache, dass Ende Mai 2017 Eröffnung gefeiert wurde.

Die Gäste, die meist online buchen, manchmal sehr kurzfristig, sind international. Sie kamen nach Angaben der Schönemanns aus Korea ebenso wie aus Frankreich, aus Moskau wie aus Argentinien, aus Kalifornien oder Australien.

Die Betreiber sind guter Dinge, dass das Interesse anhält - auch deshalb, weil das Aparthotel gerade den „Guest Review Award“ des Portals booking.com erhielt - wegen guter Bewertungen und „außergewöhnlicher Gastlichkeit“. (mz)