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Altstadt Wittenberg Altstadt Wittenberg: Stadt verbietet Händler Aufstellung eines Automaten

Von Irina Steinmann 26.07.2016, 15:54
Juniorchef Sven Blümner und der beanstandete Automat, der nicht in der Collegienstraße stehen darf.
Juniorchef Sven Blümner und der beanstandete Automat, der nicht in der Collegienstraße stehen darf. André Dix

Wittenberg - Dies ist die Geschichte von etwas, das im Grunde niemand braucht und das zudem wertlos ist. Materiell betrachtet. Wertvoll wird ein Souvenir schließlich erst durch die Erinnerungen, die wir selbst damit verbinden, oder durch die Gefühle gegenüber demjenigen, der in seinem Urlaub an uns gedacht und uns etwas Schönes (oder auch mal abgrundtief Hässliches) mitgebracht hat. Wohl ein jeder von uns hat deshalb solche Sachen bei sich zu Hause, als Staubfänger im Regal, im Keller oder auf dem Speicher.

Ganze Industrien schlagen Kapital aus derlei Sentimentalität, das ist in Wittenberg am Vorabend des Reformationsjubiläums nicht anders, natürlich nicht. Luther-Devotionalien sprießen hie und dort und reichlich, zuletzt kam gar eine einschlägige Nudel über uns. Warum auch nicht.

Automat darf nicht in der Wittenberger Altstadt stehen

Auf der Touristenmeile Collegienstraße hat ein Souvenir jetzt zu einem, wie nennt man das nun am besten - Konflikt? zwischen der Stadtverwaltung und einer alteingesessenen Händlerfamilie geführt. Corpus delicti ist ein Automat. Etwa 1,90 Meter hoch und so schwer, dass ihn niemand wegtragen könnte. Bling, bling, macht das Gerät, der optische Reiz soll Souvenirjäger anlocken. Es kann Zwei-Euro-Stücke in Messingscheiben verwandeln. Drückt man den Knopf links, bekommt man die Schlosskirche mit Thesentür, wählt man rechts, kommt alternativ die Lutherrose heraus.

„Und hinten ist immer das Brandenburger Tor drauf“, ergänzt Klaus Blümner, Seniorchef bei „Kimstädt“, Souvenirs und Presse, Schreibwaren und über die Jahre nur noch wenig Spielzeug. Das hilft aber nichts. Etwa ein Jahr lang stand der Automat mit der Repräsentation heischenden Aufschrift „National Token“ Blümners Angaben zufolge unbehelligt an der Hauswand des Ladens, neben sich die üblichen Drehständer und Auslagen.

Stadtverwaltung Wittenberg untersagt Aufstellung in Collegienstraße

Morgens rollten sie ihn raus, abends nahmen sie ihn wieder hinein. Dort steht er jetzt immer. Denn die Stadt hat der Händlerfamilie eine Sondernutzungserlaubnis versagt, Grundlage ist „Paragraph 5 Absatz 1 Punkt 7“ der Sondernutzungssatzung, die im Sanierungsgebiet Altstadt gilt, heißt es in dem Schreiben vom 15. Juli. In der Satzung sei „eindeutig geregelt“, dass „keine Sondernutzungserlaubnisse für Warenautomaten erteilt werden“. Mit anderen Worten: Der Souvenir-Automat ist - wenn er draußen steht - illegal. Legal ist er drinnen, dort aber finden ihn weniger potenzielle Kunden.

„Kimstädts“ fühlen sich missachtet, gering geschätzt in ihrem Ansinnen, für die 2017-Touristen „mal etwas Außergewöhnliches anbieten zu können“, wie es Klaus Blümner formuliert. Sie haben die beiden Motive ausgewählt und die Firma mit Sitz im belgischen Antwerpen, mit der sie in dieser Angelegenheit verbunden sind, hat die Messingplatten dann anfertigen lassen.

4000 Stück fasst der Automat, aber jetzt dauert es natürlich deutlich länger, bis er wiederaufgefüllt werden muss. „Wenn ich nicht wüsste, dass die Dinger überall stehen...“ Warum nicht auch in Wittenberg?

Die Stadt verweist auf die Satzung und führt ästhetische Gründe ins Feld. Es gelte „Wildwuchs“ zu vermeiden, sonst „könnte vor jeder Tür so etwas stehen“, so Stadt-Sprecherin Karina Austermann. Keine Rolle spiele, ob die „illegalen“ Automaten fest eingebaut sind oder, wie hier, nicht.

Hinter dem Unmut über den aktuellen Anlass tut sich bei Kimstädt unterdessen ein Riesenloch auf. Klaus Blümner konstatiert „Tristesse“ in der Collegienstraße, der viele Leerstand, andererseits das „Arsenal“, und angesichts all dessen „Gleichgültigkeit“ in Verwaltung und Politik. „Heute muss man kämpfen“, sagt seine Frau, Karin Blümner.

Dafür machen sie auch sonntags auf und freuen sich, wenn Touristen und Rückkehrer in Erinnerung an die eigene Kindheit ihr Angebot als „Fundgrube“ ansehen. 2017 ist nicht nur Reformationsjubiläum, „Kimstädt“ wird 150 Jahre alt. Begonnen hatten sie dort 1867 mit den kleinen Vorläufern der Postkarte, die bald darauf das Souvenir werden sollte. Tradition kann freilich auch eine Last sein. Unbeirrt blinkt der Warenautomat. (mz)