25 Jahre Behindertenverband Wittenberg 25 Jahre Behindertenverband Wittenberg: Unermüdlich gegen Barrieren

WITTENBERG - „Wir haben schon viel erreicht. Und wir wollen auch nicht verkennen, dass wir inzwischen bei Bauvorhaben in der Stadt Wittenberg als Träger öffentlicher Belange gehört werden“, sagt Wolfram Altekrüger. Eigentlich könnte der Vorsitzende des Behindertenverbandes Kreis Wittenberg zufrieden sein. Doch wer Altekrüger kennt, weiß, dass der Mann sich nicht einfach zurücklehnen kann.
Noch viele Baustellen
Seit etwa zwei Jahren steht er dem Verein mit rund 130 Mitgliedern vor. Zur Feier des 25-jährigen Bestehens am Sonnabend im Luther-Hotel verweist Altekrüger auf noch bestehende Baustellen. Wobei das in vielen Fällen durchaus wörtlich zu nehmen ist. „Jeder bildet sich ein, er wird nie alt oder krank“, wird er nicht müde, immer wieder Barrierefreiheit anzumahnen. Und dies nicht nur in dem Sinne, dass eine einzige Stufe für Rollstuhlfahrer ein Hindernis darstellt. Auch Sehbehinderte und Blinde scheitern gerade in der Lutherstadt an Gedankenlosigkeiten. Da wird das Plattenband in der Fußgängerzone, dass darum kein separater Fußweg mehr ist, von Straßencafés zugebaut oder von Fahrradfahrern genutzt, denen das Fahren auf dem Kopfsteinpflaster zu unruhig ist.
„Behinderungen müssen keine Verhinderungen sein“, zitiert Wittenbergs Bürgermeister Jochen Kirchner (parteilos) den Schweizer Buchautor Walter Ludin. „Genau das beweisen Sie durch Ihr Agieren im Alltag. Sehr aktiv ist die Arbeitsgruppe Rollstuhlfahrer.“ Kirchner lobt die enge Zusammenarbeit zwischen Stadt und Verband, im städtischen Haushalt gebe es sogar eine entsprechende Haushaltsposition in Sachen Barrierefreiheit.
Das Programm für die rund 90 Mitglieder, die am Sonnabend nach Wittenberg gekommen sind, ist launig und abwechslungsreich. Es gibt Tanz von „FacettenReich“ mit Carola Meissner und eine saustarke Einlage des Bülziger Fastnachtsvereins. Die Behinderten und ihre Angehörigen sind begeistert, singen und schunkeln bei den bekannten Schlagern mit und klatschen Beifall. Seit knapp 20 Jahren ist Hannelore Apel Mitglied im Behindertenverband, die Wittenbergerin ist durch ihre Tochter Sabine Mitglied geworden. Die heute 47-Jährige arbeitet in der Behindertenwerkstatt des Augustinuswerkes. „Was immer zu betreuen und versorgen war, wir waren im Verband immer gut aufgehoben“, so Hannelore Apel.
Hilfe im Alltag
Das bestätigt auch Hannelore Pertek. Ihr Sohn Dirk war bis vor vier Wochen in der Fördergruppe des Augustinuswerkes und wird jetzt im Diesthof Seyda betreut. „Wir hatten eine Selbsthilfegruppe Eltern und Angehörige von behinderten Menschen“, erzählt die Frau aus Zörnigall. Daraus ist, weil nur noch wenige Mitglieder dabei sind, eine Gesprächsrunde geworden, die sich alle zwei Monate trifft. Für die Angehörigen sind die Angebote des Verbandes und der darüber hinaus gegründeten gemeinnützigen GmbH eine wichtige Stütze im Alltag.
Doch es gibt auch behinderte Menschen wie Elisabeth Kaiser, die sich aktiv einbringen. Sie ist seit der Gründung des Verbandes Mitglied und engagiert sich von Anfang an in der Selbsthilfegruppe Barrierefreies Bauen und Verkehr. „Ich ersticke fast in Arbeit“, sagt die Frau im Rollstuhl lächelnd. „Als Außenstehender macht man sich gar keine Vorstellung, wie viel Arbeit das ist.“ Auch wenn sie den Schriftverkehr inzwischen abgegeben hat, aus der Hand geben möchte sie es auch nicht. (mz)