Wirtschaft Wirtschaft: Die Herren der Nägel

weissenfels/MZ - Nägel, Draht und Stifte werden heute noch in der Weißenfelser Drakena GmbH (zu DDR-Zeiten Ketten- und Nagelwerke) produziert. Die Kettenfertigung, insbesondere für die Landwirtschaft, für den Schiffs- und Bergbau, ist nach der Wende völlig weggebrochen. Aus zwei Betriebsteilen in Weißenfels und Roßbachwurde einer, der sich weiterhin am angestammten Standort in der Tagewerbener Straße in der Neustadt von Weißenfels befindet.
Gerhard Rittberger (67) erinnert sich an Zeiten, als die „Kette“, wie der Betrieb von den Alteingesessenen nur genannt wurde, noch mehr als 1 440 Frauen und Männer beschäftigte. „Davon arbeiteten allein 950 Werktätige im Betriebsteil 1 in Weißenfels - besonders viele Frauen“, blickt der Drakena-Mitbegründer und langjährige Geschäftsführer zurück. „Im Rahmen der Planwirtschaft hat unser früherer volkseigener Betrieb nicht nur das DDR-Inland versorgt, sondern war als Exportwerk ein Devisenbringer“, so Rittberger, der vor zwei Jahren die Geschäfte an Schwiegersohn Ingo Döhrer (47) übergab.
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Wer weiß, was aus dem Unternehmen geworden wäre, wenn Männer wie Rittberger (1971 begann er in der „Kette“) nicht den Mut zu einem Neuanfang gewagt hätten. Der Mitgesellschafter hatte sich mit Gleichgesinnten 1993 für eine Privatisierung statt Abwicklung des Betriebes entschieden. Es sei eine Menge Mut zum Risiko und die richtige Entscheidung gewesen, mit nur noch 35 Arbeitnehmern neu zu starten. Darin sind sich Klaus Bergner (77) und sein Sohn Heiko (52) noch heute einig. Während der Vater als gelernter Schlosser und späterer Abteilungsleiter 1990 in den Vorruhestand trat - so wie damals viele andere Mitarbeiter, leitet der Sohn inzwischen den Betrieb, in dem er einst eine Ausbildung im Werkzeugbau gemacht hat. Werkzeuge für die Herstellung von Schiffsketten zu fertigen, habe Spaß gemacht, sagt der Junior.
Nach seiner Armeezeit 1983 begann er im sächsischen Riesa Schmiedetechnik zu studieren, wurde Beststudent und verfügte bereits durch seine Lehrzeit über praktische Erfahrungen. 1988 zurückgekehrt in die „Kette“, wurde der Absolvent in der Nageltechnologie eingesetzt. „Es gab keine Computer wie während meiner Studienzeit, nur einen Schreibtisch mit Bleistift und Block. Ich habe mich fürchterlich gelangweilt und wollte meinem Ausbildungsbetrieb den Rücken kehren“, weiß Heiko Bergner noch wie heute. Doch es sollte anders kommen, als es hieß „Wir brauchen solche Fachleute wie dich“. Klaus Heimburger, der heute nicht mehr lebt, sei auf ihn als damals knapp 30-Jährigen zugegangen. „Ich habe zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute getroffen, um eine Menge bewegen zu dürfen“, schätzt Betriebsleiter Bergner heute ein.
Neues Lagersystem
Er begann mit den Entscheidungsträgern das Unternehmen auf PC-Technik umzurüsten. Ein neues Lagersystem musste eingeführt und die Mitarbeiter geschult werden. „Wir waren Zahnräder im Getriebe, haben uns nur gedreht“, sagt Bergner lächelnd. Vater Klaus Bergner ist stolz auf den Sohn. Manchmal besucht er seinen früheren Betrieb, interessiert sich für die neue Technik der „Nagelmeister“-Maschinen. An einer Maschine aus DDR-Zeiten werden noch immer spezielle Nägel hergestellt. Zudem stehen noch zwei Drahtziehmaschinen aus den 1980er Jahren im Unternehmen, die zuverlässig ihre Arbeit verrichten. „Wir haben keinen Grund, die alte Technik aufs Abstellgleis zu stellen“, ist von den Fachleuten zu hören.
„Seit wir den Betrieb 1993 privatisiert haben, hat sich der Umsatz unserer hochwertigen Produkte nahezu verdreifacht“, ist von Drakena-Chef Ingo Döhrer zu erfahren. „Wir haben das Vorjahr mit einem Umsatz von 11,5 Millionen Euro abschließen können“, fügt er hinzu. 56 Arbeitnehmer zähle Drakena jetzt und fahre im Zweischichtensystem. Drei Auszubildende gehörten zum Team, in dem wie früher noch einige Familienmitglieder beschäftigt seien. Phillip Kopp und seine Oma Sabine Berthold (62) gehören dazu. Der 20-Jährige soll als Industriemechaniker übernommen werden, denn die theoretische Prüfung im alten Jahr hat er bereits bestanden. Der Weißenfelser hofft, dass er Ende des Monats nach dreieinhalbjähriger Lehrzeit seine praktische Prüfung mit guten Ergebnissen besteht. Seine Oma ist seit vielen Jahren in der Verwaltung beschäftigt.
Heute liegt der Schwerpunkt der Produktion auf der Nagelfertigung für die Dübel- und Hebezeugindustrie in Deutschland. Auch Draht wird fürs Inland hergestellt. Zu Auslandskunden zählt Drakena Partner in Italien, Großbritannien, Japan und in den USA. (mz)