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Wenn Pilze zur Gefahr werden Wenn Pilze zur Gefahr werden: Das Gift aus dem Wald

Von Petra Wozny 25.08.2014, 10:44
Einer von vier Knollenblätterpilzen, die in der Leißlinger Region des Burgenlandkreises letzte Woche gefunden wurden und glücklicherweise bei einem Pilzberater auf dem Tisch landeten.
Einer von vier Knollenblätterpilzen, die in der Leißlinger Region des Burgenlandkreises letzte Woche gefunden wurden und glücklicherweise bei einem Pilzberater auf dem Tisch landeten. Peter Lisker Lizenz

Weissenfels - Er ist frisch, riecht gut und etwa zehn Zentimeter groß. Eine Schnecke hat sich an seinem grünlichen Hut gelabt.

Im Burgenlandkreis stehen den Ratsuchenden folgende Berater kostenfrei und unverbindlich zur Verfügung:

Gisela Jäger, Altenrodaer Weg 5a, Bucha (034465/(8 84 43)

Eberhard Ditscher, Hauptstraße 12 in Zeitz (03441/ 21 46 10

Dieter Massow, Moskauer Straße 22, Zeitz (0174/ 6 75 51 06)

Familie Schindler, Schützenplatz 36, Zeitz, (03441/71 20 93)

Gottfried Hollmann, Camburger Straße 30, Droyßig (034425/2 10 74)

Ute Nothnagel, Pestalozzistraße 3, Weißenfels (03443/30 46 95)

„Dieser Pilz würde ausreichen, um die Menschen dieser Straße auszurotten“, sagt Ute Nothnagel. Die Pestalozzistraße in Weißenfels hat nicht wenige Häuser und Nothnagel muss es schließlich wissen. Seit 45 Jahren ist die heutige Seniorin Pilzberaterin. Vor ihr liegt ein grüner Knollenblätterpilz - nicht der erste in dieser Saison, gefunden in der vergangenen Woche in der Leißlinger Region. „Es ist der vierte seiner Art in diesem Sommer. Hinzu kommen noch zwei hochgiftige Pantherpilze“, betont sie. Glücklicherweise landeten diese Giftpilze alle auf dem Tisch der Pilzberaterin und nicht in der Pfanne. Doch Nothnagel gibt zu bedenken: „Im Landkreis sind wir nur noch fünf Berater und die meisten sind alt wie Methusalem.“ Sie selbst ist stolze 88 Jahre. Was also, wenn die Berater mal nicht mehr sind?

„Wir sind eine aussterbende Rasse“

Ute Nothnagel, die studierte Biologin, mag sich das nicht vorstellen. „Die Menschen gehen doch leidenschaftlich diesem Hobby nach und sammeln wie die Wilden. Zu verdenken ist es ihnen nicht, macht es doch auch Spaß. Nur kreuzgefährlich kann diese Leidenschaft enden, wenn man keine oder nur geringe Kenntnisse hat.“ Sie selbst habe Prüfungen ablegen müssen, um Berater - zunächst für Hohenmölsen, später für Weißenfels und den Kreis - zu werden.

„Ich denke, dass ich etwa 400 Pilze auseinanderhalten kann“, vermutet sie. Für den Hausgebrauch seien rund 20 schon von Vorteil. Doch sich diese Kenntnisse anzueignen, koste eine Menge Zeit. „Ich denke, die haben die jungen Leute nicht mehr oder sie nehmen sie sich nicht. Vielleicht glauben sie auch: Ich packe das schon“, sinniert die heute 88-Jährige. Ähnlich denkt Eberhard Ditscher (79) aus Zeitz. Seit 1978 ist er in dieser Region Pilzberater. „Wir sind eine aussterbende Rasse“, meint der Senior trocken. Und damit würde aus seiner Sicht das Pilzesammeln ein äußerst gefährliches Pflaster. „Denn jedes Jahr fische ich aus den Körben der Sammler etliches, was zum Tode hätte führen können.“ Glücklicherweise sei niemals etwas passiert.

In Sachsen-Anhalt beraten 79 Pilzsachverständige in 62 Orten die Bevölkerung ehrenamtlich. In Dessau-Roßlau beraten im Auftrag des Gesundheitsamtes Hans Berndt jeweils dienstags von 15.30 bis 17 Uhr im Naturkundemuseum (Askanische Straße) sowie Rudolf Arndt nach telefonischer Voranmeldung.

Einen Überblick über die Pilzberater im Land sowie viele andere Informationen (z.B. über Schwermetall- oder Radionuklidbelastung von Pilzen) gibt es auf der Homepage des Landesverbandes der Pilzsachverständigen www.lvps.de/

Auch die Onlineredaktion von der Mitteldeutschen Zeitung hat in dieser Karte die Pilzberater in Sachsen-Anhalt aufgelistet.

In seinem Beraterleben sei er bislang nur einmal aus dem Zeitzer Krankenhaus angerufen und zu einer Beratung herangezogen worden worden. Die Patientin zeigte mit Übelkeit, Erbrechen und Schwindelanfällen deutliche Zeichen einer Pilzvergiftung. Die Diagnose habe sich nicht bestätigt. „Wir können ja keinen Sammler zwingen, zu einem Berater zu gehen, aber sicherer ist es allemal.“ Mehr als 40 Beratungen habe er bereits im August durchgeführt - erfahrungsgemäß werden es im September und Oktober noch mehr. Doch was wird, wenn der Berater aus Zeitz mal nicht mehr täglich zu Rate gezogen werden kann?

Kaum Interesse für Beraterkurse

„Natürlich haben wir in der Volkshochschule bereits vor Jahren darüber nachgedacht, den Nachwuchs unter den Pilzberatern heranzuziehen“, berichtet Christine Lieberam, Koordinatorin für Weißenfels der Kreisvolkshochschule Burgenlandkreis.

Laut dem Bundesartenschutzgesetz dürfen Pilze nur für den heimischen Gebrauch gesammelt werden. Etwa zwei Kilogramm geben Pilzberater meist an. Mit gesammelten Pilzen darf nach dem Gesetz nicht gehandelt werden. Man kann sie höchstens verschenken.

Am besten nimmt man ein scharfes Messer mit, weil Pilze angeschnitten werden sollten, um festzustellen, ob Maden darin sind. Zum Sammeln ist ein Behältnis zu empfehlen, das luftig ist - zum Beispiel ein Korb oder ein Karton. Auf keinen Fall eine Plastiktüte, denn die Pilze sollten nicht gequetscht werden und schwitzen. Dadurch könnten sich auch bei essbaren Pilzen Gifte entwickeln, so dass man beim Essen eine sogenannte unechte Pilzvergiftung bekommt. Man sollte sich auch nicht darauf verlassen, dass - wenn ein Pilz etwa von Schnecken oder Wild angefressen wurde - dieser nicht giftig ist. Tiere fressen auch für Menschen lebensgefährliche Pilze.

Dass manche Pilze giftig sind, das weiß wohl jedes Kind. Dennoch weisen Pilzberater immer wieder darauf hin, dass nur solche Pilze gesammelt werden sollten, die man als Speisepilze kennt. Unwohlsein, Kreislaufprobleme und Brechreiz sind typische Kennzeichen, dass man giftige Pilze verzehrt hat. Sie können Nerven- oder Blutgifte enthalten.

Pilze, die man zubereiten will, sollten frisch und nicht angefault sein. Das gilt übrigens auch für Pilze, die man im Laden kauft. Sie sollten nach dem Kauf oder Sammeln schnell zubereitet werden oder in flacher Schicht kühl und luftig gelagert werden. Denn auch wer Pilze zu sich nimmt, die verdorben sind, riskiert Vergiftungserscheinungen.

Pilze roh zu kosten, ist erlaubt und ungefährlich. Größere Mengen sollte man aber nie essen. Beim Zubereiten sollten sie auf mehr als 70 Grad erhitzt werden. Pilze sind ansonsten schwer verdaulich. Pilzberater empfehlen daher auch, keinen Alkohol dazu zu trinken. Dies kann bei empfindlichen Menschen zu Unverträglichkeit führen.

Das Interesse für Kurse sei gegen Null gegangen. Gerade einmal zwei Interessenten hätten sich gemeldet - dafür einen Kurs zu eröffnen, habe sich nicht gelohnt. „Bei einem festen Stamm würde es sich rentieren“, sagt Lieberam. Sie vermutet, dass die Sammler im Glauben seien, selbst und ohne Schulung auszukommen.

Das Gift des Grünen Knollenblätterpilzes wird durch Kochen nicht unschädlich gemacht. Für einen 70 Kilo schweren Menschen reichen sieben Milligramm. Der Tod ist qualvoll, berichtet die Pilzsachverständige Ute Nothnagel. Nach Brechdurchfällen klingt das Unwohlsein ab, jedoch versagen etwa zehn Tage nach Verspeisen des Pilzes die einzelne Organe, wie der Leber und der Nieren. Der Knollenblätterpilz ist zu 90 Prozent an Vergiftungen mit Todesfolge der Auslöser.

Manche würden mit einem Pilzfachbuch in den Wald gehen, andere würden das Sammeln auf die wenigen Sorten beschränken, die sie kennen. Doch eine hundertprozentige Garantie für eine gesunde Pilzmahlzeit sei dies nicht. „Wir geben nicht auf und wollen im Frühjahr noch einmal über einen Pilzberaterkurs nachdenken“, sagt sie.

Verbrauchen stehen in der Pflicht

„In der Tat ist jeder für sich selbst verantwortlich, ob er im Wald Beeren oder Pilze sammelt. Da nehmen wir die Verbraucher in die Pflicht“, ist von Andrea Krüger, Leiterin des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes beim Burgenlandkreis zu hören. Bringen Händler Pilze auf den Wochenmarkt, sieht die Ärztin ebenfalls die Verantwortung beim Gewerbetreibenden. „Dennoch begehen wir die Wochenmärkte und machen Proben von Pilzen, die wir auf unterschiedliche Rückstände untersuchen.“ Frische Pilze von fliegenden Händlern an der Straße zu kaufen, sollte sich ihrer Meinung nach jeder überlegen. „Der Kenner wird wissen, was er kauft“, meint sie. Der Sommer und bevorstehende Herbst scheint aufgrund der langen heftigen Regenperioden eine gute Pilzernte zu bringen, sagt die Erfahrung von Ute Nothnagel und Eberhard Ditscher. Die 88-Jährige und der 79-Jährige gehen davon aus, dass sie wieder alle Hände voll zu tun haben werden. (mz)