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«Weizenkornlegende» rankt sich um königliches Spiel

Von BÄRBEL SCHMUCK 01.01.2010, 17:08

Halle/MZ. - "Man braucht Zeit und Vorstellungsvermögen, muss mit Lust und Liebe dabei sein, Geduld haben und sich konzentrieren können", sagt Uwe Schiller. Als der Vereinschef einräumt, dass eine Partie am Schachbrett viel mit Mathematik zu tun hat, sinkt mein Enthusiasmus. Aber ich sehe nicht schwarz, sondern bin motiviert und bekenne Farbe. Heute lasse ich mir schwarz auf weiß die Grundregeln erklären. Schiller holt ein Spiel aus herrlichem Holz aus einem der Schränke im Trainingsraum des Kulturhauses hervor und baut es vor meinen erwartungsvollen Blicken auf.

Zunächst bleibt das Brett leer. Schiller, der auch im Weißenfelser Gästeführerverein mitarbeitet und der mir mit seinen Schachsportlern in originellen Schwarz-Weiß-Kostümen im Schlossfestumzug sowie auch bei der Darstellung von Lebend-Schachpartien in Weißenfels und Langendorf aufgefallen ist, nimmt sich Zeit, viel Zeit. Ganz in Ruhe erläutert der 47-jährige gelernte Hochbauingenieur zunächst die Figuren. Die Steine werden zu beiden Seiten des Brettes aufgestellt. Auf der vorletzten Reihe die Bauern, auf der letzten die Figuren in der Reihenfolge: Turm, Springer, Läufer, Dame, König, Läufer, Springer, Turm - von links nach rechts für Weiß, für Schwarz umgekehrt.

Es habe nichts mit Glück und Zufall zu tun, schwarze und weiße Figuren in Schach zu halten. Schiller redet wie ein Buch, um mir das Abc des Spiels nahe zu bringen und die Geschichte des seit 1919 bestehenden Schachklubs Roland schmackhaft zu machen. Der Verein heißt so, weil er im Café Roland, das sein Besitzer Roland Göpfarth in der Weißenfelser Saalstraße einst führte, gegründet wurde.

Nebenbei erfahre ich Wissenswertes aus der Historie des königlichen und strategischen Spiels. Königlich deshalb, weil Schach aus dem Persischen von dem Wort Schah - König - abgeleitet wurde. Um die Erfindung des Spiels aus dem indisch-persisch-arabischen Raum im sechsten Jahrhundert rankt sich die "Weizenkornlegende". Der angebliche Erfinder namens Sissa forderte von seinem Herrscher, ihm als Lohn die 64 Felder des Spielbretts mit Weizenkörnern zu füllen und bei jedem weiteren Feld doppelt so viele wie bei dem vorherigen zu nehmen. Diese Legende stellt ein Gleichnis für die Vielfalt des Schachspiels dar.

Mit einer Schnupperstunde des Denksports Schach ist es wegen besagter Vielfalt freilich nicht getan, meint Schiller aus seinen langjährigen Erfahrungen. Er selbst fing mit acht, neun Jahren an, beim Vater Günter Schiller, der heute noch aktiv ist, das Einmaleins der Schachkunst in kleinen Schritten zu erlernen. Heute spielen im Klub Mitglieder vom sieben- bis zum 76-jährigen Sportler.

"Selbst wenn ich die Regeln beherrsche, heißt das noch lange nicht, erfolgreich zu sein", weiß der Experte, der stolz auf seinen 40-köpfigen Verein ist. Man müsse die Gesetzmäßigkeiten kennen, sich im Zweikampf durchsetzen und beim Denken taktisch kombinieren. Schiller sagt es und setzt mich mit einem Zug Schachmatt. "Der König ist geschlagen und kann nicht mehr ziehen", erklärt mein Gegenüber. Ich verstehe erst mal Bahnhof, mir schwirrt der Kopf. So viele Figuren kreuzen meinen Weg. Das ist nach zwei Stunden Schach zu viel für eine blutige Anfängerin. Ich bin ganz matt.

Adressen von Vereinen, die Schach anbieten, gibt es beim Kreissportbund, Adolf-Damaschke-Platz 1, 06618 Naumburg, Telefon: 03445 / 77 58 29, E-Mail: