Weißenfelser Verein Lebenshilfe Weißenfelser Verein Lebenshilfe: Die Kraftquelle für geistig behinderte Menschen

Weißenfels - „Was wäre wohl aus meinem Kind geworden, wenn es die Lebenshilfe nicht gäbe?“ Christine Lichtblau, Mutter eines behinderten Kindes, hängt ihren Gedanken nach. Ihr Matthias, heute 45 Jahre alt, führe ein gutes Leben. „Er ist ein ausgeglichener glücklicher Mensch“, sagt sie. Und ist dankbar, dass es in all den Jahren eine Kraftquelle gab, die auch schlimme Zeiten überstehen half.
Seit 25 Jahren gibt es den Weißenfelser Verein Lebenshilfe für geistig behinderte Menschen. „Plötzlich war alles anders“, erinnert sich Rudolf Schniebel an die Wendezeiten vor einem Vierteljahrhundert. Polikliniken wurden aufgelöst, für die Arbeit mit Behinderten gab es neue Grundlagen. Schniebels behinderte Tochter war damals acht Jahre alt, ging in die Weißenfelser Schlossgartenschule.
Als im Sommer 1990 Gäste aus dem hessischen Odenwaldkreis in den damaligen Partnerkreis Weißenfels kamen, da erfuhren betroffene Eltern zum ersten Mal etwas von einem Lebenshilfe-Verein, hörten davon, dass unter den neuen gesellschaftlichen Vorzeichen Privatinitiative mehr als bislang gefragt ist.
„Wir waren alle guten Mutes“
„Wir waren alle guten Mutes“, beschreibt Schniebel die Gefühlslage jener Tage, in denen sich zum ersten Mal ein paar Eltern behinderter Kinder trafen, um hier einen Lebenshilfe-Verein zu gründen. Der heute 64-Jährige setzte sich zunächst provisorisch an die Spitze der Bewegung. Er ist bis heute der Vorsitzende geblieben.
„Wir hatten am Anfang nicht einmal ein Auto“, beschreibt Schniebel die erste Zeit. Mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) sollte der Verein bald einen Partner finden, mit dem die Zusammenarbeit bis heute gut läuft. Schließlich wurden DRK-Kreisverband und Verein Lebenshilfe Gesellschafter der gemeinnützigen Integra Weißenfelser Land GmbH.
In den Werkstätten der Integra hat auch Juliane Dietrich eine sinnvolle Beschäftigung gefunden. Im ehemaligen Elektrizitätswerk in der Weißenfelser Neustadt baut die 30-Jährige, die an einem frühkindlichen Hirnschaden leidet, Schornsteinsysteme zusammen. „Für unsere Tochter ist die Arbeit das Wichtigste“, sagt Mutter Heidrun Dietrich. Vor mehr als zehn Jahren hatte die Familie Kontakt zur Lebenshilfe gefunden. „Wir möchten den Verein nicht mehr missen“, sagt die Mutter heute.
Es war auch der Lebenshilfe-Verein, über den Juliane zum Behindertensport gefunden hat. Beim Reitverein Zeitz-Bergisdorf begann sie vor fast zehn Jahren mit dem therapeutischen Reiten. Mittlerweile hat sie schon zahlreiche Medaillen geholt, ist mehrfache deutsche Meisterin im Behindertenreitsport.
Mehr denn je ist heute auch die Rechtsberatung wichtiger Teil der Arbeit des Vereins. „Als Einzelner ist man doch gar nicht mehr in der Lage das komplizierte Rechtssystem zu erfassen“, sagt Heidrun Dietrich. Und Vereinsmitglied Annelie Herrmann, Mutter eines erwachsenen behinderten Sohnes, bestätigt: „Wir müssen immer öfter Anwälte einschalten, um unsere Rechte durchzusetzen“.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl
Nicht zu ersetzen ist für alle das Zusammengehörigkeitsgefühl, das nach 25 Jahren mehr denn je vom Verein Lebenshilfe ausgeht. „Viele Freundschaften sind da entstanden“, erzählt Annelie Herrmann. So fahren zum Beispiel jedes Jahr im Herbst drei Mütter mit ihren behinderten Kindern gemeinsam in den Urlaub. Einmal im Jahr unternimmt der Verein eine Wochenend-Fahrt. In diesem Jahr ging es in eine Einrichtung der Lebenshilfe im brandenburgischen Kirchmöser.
Eine Gemeinsamkeit, die auch Christine Lichtblau immer wieder neue Kraft gibt. Ihr Matthias hat zwei Zuhause, sagt sie. Am Wochenende ist er bei der Mutter in Weißenfels, in der Woche lebt er im Wohnheim der Integra in Prittitz. „Ich freue mich über seine Begeisterungsfähigkeit“, sagt sie. Wenn ihr Sohn zum Beispiel in vorderster Reihe für den Mitteldeutschen Basketball Club trommelt, dann ist er einfach nur Matthias im Glück. (mz)
