Weißenfels Weißenfels: Löschangriff auf die Marienkirche

WEISSENFELS/MZ. - Das hat Pfarramtssekretär Volker Heßler (59) noch nicht erlebt: Knapp drei Dutzend Feuerwehrautos haben sich Freitagabend um die Weißenfelser Marienkirche positioniert, sie stehen am Gotteshaus, auf dem Markt in der Jüden- und Marienstraße. Rund 160 Einsatzkräfte arbeiten Hand in Hand, rollen Schläuche aus, fahren Drehleiter und Hubsteiger in die Höhe, stürmen mit Atemschutzmasken ins Gotteshaus und schießen Wasser auf das Kirchendach. Auf dem Marktplatz baut der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes ein Rettungszelt auf, in dem 24 Verletzte versorgt werden können. Und Beate Caspar (57) und Erdmuthe Müller-Taube (86) atmen auf. Der bislang größte Feuerwehreinsatz auf dem Marktplatz von Weißenfels ist eine Übung. "Mir war ganz schlecht, als ich den Auflauf hier gesehen habe", sagt Beate Caspar und ihre Mutter nickt. Es wäre schlimm gewesen, wenn das Gotteshaus wirklich in Brand geraten wäre, meinen die Frauen.
19 Feuerwehren aus Weißenfels, aus Prittitz, Lützen und Zorbau proben den Ernstfall, werden nach und nach alarmiert, so dass die letzten Fahrzeuge noch nach 18 Uhr auf den Markt rollen. . . "Wir haben angenommen, dass ein Blitz in das Hauptschiff der Marienkirche eingeschlagen ist und es in Brand gesetzt hat", erklärt der stellvertretende Stadtwehrleiter Steve Homberg (33). Mit dieser Übung nehmen die Feuerwehrleute die größtmögliche Katastrophe an, die ihrer Meinung nach das Gotteshaus treffen könnte. "Wir wollen einfach vorbereitet sein, um in einem Ernstfall besser und effektiver einschreiten zu können", sagt Homberg, der den Einsatz leitet. Wenn das Kirchenschiff wirklich einmal brennen würde, dann wäre das in der Tat ein Desaster, so Homberg. Immerhin ist das Schiff etwa 15 Meter hoch, 20 Meter breit und 60 Meter lang. In ihm sei so viel Holz verbaut, dass dieses reichen würde, um 20 Einfamilienhäuser ein Jahr lang zu heizen. "Das Holz ist alt und sehr trocken", sagt Homberg. Deshalb würde im Falle eines Brandes das Schiff auch im Nu lichterloh brennen. Die Hitze wäre so groß, dass davon auszugehen sei, dass umliegende Häuser mit in Brand geraten würden. Also werden am Abend die Häuser ringsherum "evakuiert". Und beim Haus Marienstraße 1 wird gar angenommen, dass der Dachstuhl schon in Flammen steht. Der Hausmeister muss verletzt aus dem Gebäude gerettet werden.
Augenblicke nach 17 Uhr hat das Spektakel begonnen. Die Sirene hat die Weißenfelser Feuerwehr alarmiert. "Die Männer waren schnell da, haben die Situation richtig eingeschätzt, die Lage erkundet", sagt Roland Zimmer, Abteilungsleiter Brandschutz der Weißenfelser Stadtverwaltung.
Die Feuerwehren haben dann zwei Szenarien durchgespielt. Zum einen sind sie davon ausgegangen, dass sie nur von außen löschen können, weil ein Betreten des Gotteshauses für die Retter zu gefährlich wäre. Zum anderen haben sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Feuerwehrleute die Flammen von innen und außen angreifen könnten - gleichzeitig. Also müssen Einsatzkräfte mit Atemschutz und Sauerstoffflaschen in das Gotteshaus. "Wenn es wirklich gebrannt hätte und wir einen Innenangriff gestartet hätten, hätte die Zahl der Männer mit Atemschutz vermutlich nicht gereicht. Da hätten wir gewiss noch Kräfte aus Merseburg, Naumburg und Zeitz ordern müssen", zieht Homberg noch am Abend eine erste Bilanz. Etwas Besonderes sei die Übung laut Homberg auch deshalb, weil Männer und Frauen zusammenarbeiten, die sonst nicht gemeinsam zu Einsätzen ausrücken.
Der Feuerwehreinsatz wird von vielen Schaulustigen beobachtet. Besonders konzentriert sehen Lucas Kleemann und Jonas Liemann zu. Beide sind neun Jahre alt und sagen wie aus einem Munde: "Wir sind beide bei der Weißenfelser Kinderfeuerwehr." Der Einsatz sei spannend. Die Jungen habe vor allem beeindruckt, wie schnell die "Großen" arbeiten. Und sicher sind sie sich: "Irgendwann sind wir auch bei solch einer Übung dabei."