Weißenfels Weißenfels: Botschafter der Schuhstadt
weissenfels/MZ. - Wenn es in Weißenfels um Schuhe geht, dann ist sein Name nicht weit. So eng wie nur wenige ist Wilfried Schreier mit der hiesigen Schuhindustrie und ihrer Geschichte verbunden. "Die Auszeichnung mit der Ehrennadel hat mich schon gefreut", meint der 81-Jährige und bekennt zugleich: "So richtig heimisch geworden bin ich in Weißenfels erst nach der Wende. Vorher war die Schuhindustrie meine ganze Welt."
Geboren im damaligen Sudetenland, dem heutigen Böhmen in Tschechien, kam Schreier 1945 in den heutigen Saalekreis und lebte bis 1958 in Spergau. Dann führte ihn seine Lebensweg ins nahe Weißenfels, seit 1965 lebt er im heutigen Ortsteil Langendorf. Jahrzehntelang arbeitete Schreier am Forschungsinstitut für die lederverarbeitende Industrie, leitete unter anderem die dortige Prüfabteilung.
Nach der Wende habe er versucht, mit seinem Wissen die Stadt Weißenfels auch im Ausland zu repräsentieren, erzählt der Langendorfer. Und er nennt die Internationalen Schuhkonferenzen im tschechischen Zlín, dem früheren Gottwaldov, an denen er in den Jahren 2000 und 2004 Vorträge gehalten hat - über die Schuhherstellung im Barock und die "Schuhindustrie im Spiel der Mächte". Noch 2010 hat der Fachmann aus Weißenfels einen Vortrag in der ehemaligen Schuhmetropole Pirmasens (Rheinland-Pfalz) gehalten. Internationale Anerkennung fand sein 2002 erschienenes Buch "Das deutsche Schuhgewerbe". "Ich habe mich immer ein wenig als Botschafter von Weißenfels gefühlt", bekennt Schreier. Dass jetzt alle fünf Stadtratsfraktionen einmütig die Auszeichnung mit der Ehrennadel vorgeschlagen hatten, empfinde er schon auch ein wenig als Würdigung dieses Engagements.
Dass nun die Schuhausstellung im Weißenfelser Museum neu konzipiert wird (die MZ berichtete), begrüßt auch der Fachmann. Damit das Ganze gelingt, arbeitet er im Museumsförderverein mit und will dem wissenschaftlichen Beirat des Museums mit seinen Erfahrungen helfen. So wie er es schon als Berater für die in Weißenfels und Partnerstädten viel beachtete Ausstellung "Auf Schritt und Tritt. . . Schuhe" gemacht hat.
Doch Wilfried Schreiers Name ist nicht allein mit dem Thema Schuhe verbunden. Aktiv ist der agile 81-Jährige mit dem unverkennbaren Lausitzer Dialekt ebenso in der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Es ist maßgeblich sein Verdienst, dass seit 2007 auf dem Weißenfelser Friedhof ein Gedenkstein für die Opfer der Vertreibung steht - nach seinem Wissen der einzige im Burgenlandkreis. "Versöhnung ist für mich ein zentraler Begriff", so Schreiers Standpunkt, wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte geht.
Wie er sich fit hält für die vielen ehrenamtlichen Aufgaben? Ein Rezept habe er nicht, meint der drahtige Senior, der zusammen mit seiner Frau Hildegard vier Kinder und sieben Enkel hat. Vielleicht läuft er sich ja auch einfach fit. Denn ein Auto hat Schreier nie besessen. "Als ich zu DDR-Zeiten gesehen habe, wie die Leute am Wochenende ständig an ihren Autos herumgebastelt haben, hatte ich keine Lust darauf", meint er spitzbübisch. Da sei er früher schon lieber mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Den Bus ignoriert er auch heute. "Das kostet viel zu viel Nerven", sagt er. Und so ist Wilfried Schreier denn unermüdlich zu Fuß unterwegs, läuft an manchen Tagen zwei Mal von Langendorf in die Stadt, um seine Wege zu erledigen.
Ziemlich nah liegt für ihn da ein weiteres ehrenamtliches Betätigungsfeld - im Verein zur Förderung der Klosterkirche seines Ortes. Auch hier ist der Langendorfer immer mittendrin, bereitet zurzeit ein historisches Spiel vor, das auf einer Benefizveranstaltung zugunsten der Kirche am 21. September aufgeführt werden soll.