Weißenfels Weißenfels: Beschwerliche Wege
WEISSENFELS/MZ. - "Es gibt in Weißenfels keinen HNO-Arzt, der von gehbehinderten Menschen ohne Hilfe aufgesucht werden kann", erklärt Dieter Senftleben, der im Seniorenbeirat der Stadt aktiv ist.
Tatsache: Die Praxen der beiden Weißenfelser Hals-Nasen-Ohren-Ärzten sind nur über Treppen zu erreichen: Kay Andrä praktiziert am Stadtpark - um in seine Praxis zu kommen, muss vor dem Gelände eine breite Treppe überwunden und im Haus der Weg bis ganz nach oben gegangen werden. Dem promovierten Spezialisten ist das Problem bewusst, er sucht deswegen nach einem anderen Standort. Wenn alles klappt, ziehe die Praxis 2012 ins Asklepios-Klinikum um.
Andrä sagt, er behandle auch gehbehinderte Patienten. "Sie kommen mit einem Transportdienst, der sie zur Praxis hinaufträgt." Der 44-Jährige gibt aber zu, dass Patienten wegen der Stufen schon abgesagt hätten.
Von Absagen berichtet auch Bassam Al-Khouri, der seine HNO-Praxis in einem Altbau in der Beuditzstraße führt. 25 Stufen braucht ein Patient, um in den Altbau-Räumen der Praxis anzukommen. Der 53-jährige Mediziner sagt, da er nicht der Hauseigentümer sei, könne er an der Situation nichts ändern. Obendrein koste ein Aufzug bis zu 30 000 Euro.
"Der Zugang zu vielen Praxen ist teilweise extrem beschwerlich", sagt Ria Theil, Vorsitzende des Seniorenbeirates im Burgenlandkreis. Das habe sie erst vor kurzem selbst erfahren, als sie sich bei einem Rheumaarzt in Naumburg bis unters Dach schleppen musste. "Die Kritik ist absolut berechtigt." Ihrer Meinung nach sei der Sache nur beizukommen, wenn in einem Mitwirkungsgesetz für Senioren auf Landesebene klare Regeln aufgestellt würden. Amtsarzt Hartmut Wurzbacher sieht die Probleme zwar ebenso, hält aber dagegen: "Es gibt keine Handhabe, einen niedergelassenen Arzt zu verpflichten, einen für alle Menschen reibungslosen Zugang zu seiner Praxis vorzuhalten." Es könne lediglich "moralischer Druck" ausgeübt werden. Eine Ausnahme gebe es bei Neubauten, bei denen die Kreisverwaltung als Träger öffentlicher Belange angehört wird und nur barrierearme Zugänge genehmigt werden.
Andere Spezialisten sind besser erreichbar als die HNO-Kollegen. So haben die Orthopäden im "Gesundheitszentrum" in der Beuditzstraße vor zwei Jahren einen rollstuhlgerechten Zugang bauen lassen, der über den Hof führt, sagt der promovierte Orthopäde Andreas Müller.
Auch die Praxen von Allgemeinärzten bieten einen alternativen Zugang für Rollstuhlfahrer und Gehandicapte oder sie liegen ebenerdig. Doch auch hier gibt es andere Beispiele: So führen Stufen sowohl in die Praxis von Kerstin Kittel in der Beuditzstraße als auch in Manuela Walters Praxis in der Novalisstraße. Schwester Angelika Lindig arbeitet schon seit zehn Jahren in der Novalisstraße. Sie sagt: "Wir haben darüber nachgedacht, eine Rampe anzubringen." Doch da der Zugang jedes Mal von den Schwestern montiert werden müsste, scheiterte der Plan. Die Schwester und verspricht: "Kommt ein Patient, der schlecht Treppen steigen kann, greifen wir Schwestern zu."