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Untreue-Prozess Untreue-Prozess: Bürgermeister und Räte von Zorbau vor Gericht

Von Katrin Löwe 29.10.2014, 18:05
Landgericht Halle
Landgericht Halle dpa Lizenz

Halle (Saale)/Zorbau - Vor dem Landgericht Halle wird ab kommenden Mittwoch ein nahezu kompletter früherer Gemeinderat auf der Anklagebank sitzen. Den acht Männern und einer Frau wird im Zusammenhang mit der jüngsten Gemeindegebietsreform Untreue vorgeworfen, wie das Landgericht am Mittwoch mitteilte. Direkt vor der Zwangseingemeindung von Zorbau nach Lützen (Burgenlandkreis) am 1.Januar 2011 sollen die Zorbauer Räte und ihr Bürgermeister versucht haben, Kapital für den Ort zu sichern, statt es in den Haushalt der künftigen Einheitsgemeinde zu übertragen.

Die Praxis an sich war damals ein offenes Geheimnis: Es gab einige reiche Gemeinden mit hohen Gewerbesteuereinnahmen, die über Stiftungsgründungen sicherstellen wollten, dass ihnen auch künftig Finanzen für freiwillige Aufgaben zur Verfügung stehen. Es sei auffällig, dass die Gebietsreform und eine Häufung von Stiftungsgründungen „zeitlich eng beieinander liegen“, konstatierte der damalige Innenminister Holger Hövelmann (SPD) 2009. Rechtlich gab es dagegen keine Handhabe.

In Zorbau unterdessen soll der Bogen überspannt worden sein. Die Anklage wirft den Räten laut Gericht zum Beispiel vor, dass sie im Dezember 2010 per Beschluss 41 Gemeindegrundstücke eines Gewerbegebietes zum Preis von 200.000 Euro an die Stiftung „Zukunft Zorbau“ übertragen haben, obwohl die Grundstücke tatsächlich 3,6 Millionen Euro wert waren. 17 weitere Grundstücke sollten der Stiftung für 30 Jahre zur kostenlosen Nutzung übertragen werden. Der Lützener Bürgermeister hatte später erklärt, der Stadt wären insgesamt 8,3 Millionen Euro Kapital entgangen. Zwar wurden die von den Zorbauern beschlossenen Verträge später rückgängig gemacht. Schaden ist laut Anklage dennoch entstanden: durch entgangene Pachteinnahmen und Rechtskosten, die Lützen mit der Rückabwicklung hatte. Vor Gericht geht es auch um die Verantwortung, die ein Rat für die Finanzen seines Nachfolgers - also der Stadt Lützen - hat. „Juristisch ist das in gewisser Weise auch ein Stück Neuland“, sagte Gerichtssprecher Wolfgang Ehm. Zorbauer Räte hatten bereits nach der Erhebung der Anklage vor zwei Jahren erklärt, sie hätten „für das Gemeinwohl und nicht für die eigene Tasche gehandelt“. Der Prozess soll zunächst bis Anfang Januar dauern.

Dass ein kompletter ehrenamtlicher Gemeinderat sich plötzlich auf der Anklagebank wiederfindet, ist in Sachsen-Anhalt indes nicht ganz neu. In einem zweijährigen Justizmarathon musste sich bis 2008 der Rat von Angersdorf (Saalekreis) vor Gericht verantworten. Auch damals lautete der Vorwurf Untreue: Entgegen der Auflagen der Kommunalaufsicht hatte die Gemeinde für den Bau einer Straße im Jahr 2001 mangels Satzung keine Straßenausbau-Beiträge erhoben. Nach mehreren Prozessen war das Verfahren schließlich gegen Auflagen eingestellt worden. (mz)