Straußwirtschaft am Radweg öffnet in 200-Seelen-Dorf
Halle/MZ. - KRIECHAU / MZ- Winzerstube steht auf dem Fassoberteil, das an der Hauswand befestigt ist. "Wenn der Strauß draußen hängt, wird ausgeschenkt", sagt Inhaber Gerd Piller. Der Strauß ist ein Trockengesteck und besteht auch aus künstlichen Trauben. Der 56-jährige Kriechauer eröffnet am Sonntag um 11 Uhr seine Straußwirtschaft, die einzige in der Region Weißenfels.
Dabei handelt es sich um einen Saisonbetrieb, der im Mai, Juni, August und September bei gutem Wetter geöffnet sein soll. "Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt, wollen aber keinen Massentourismus." Den Gedanken für eine solche Schenke hatte der Hobbywinzer, der seit 2005 auch Vorsitzender der Weinbaugemeinschaft Burgwerben / Kriechau ist, schon vor 15 Jahren. "Doch damals stimmte das ganze Ambiente noch nicht", äußert er. Immerhin handelt es sich um eines der alten Bauerngehöfte im 200-Seelen-Ort. Bereits Mitte der 90er Jahre wurde deshalb mit den Dächern begonnen, wurden sie im Zuge der Dorferneuerung gedeckt.
Inzwischen sind Ställe, Scheunen und Wohnhaus grundlegend saniert. Wo früher die Kühe untergebracht waren, gibt es heute die Weinstube, die ein Wandbild von Steffen Degenkolbe ziert. Sie wurde zwischenzeitlich schon für private Feiern genutzt und auch Weinverkostungen hat Piller bereits angeboten. Eine teilweise überdachte Terrasse entstand, von der man den Blick ins Saaletal genießen kann. Eine Wohnung und Büros für den Pflegedienst Piller sind geschaffen und weiterer Wohnraum ist saniert worden. Zuletzt wurde der Hof neu gepflastert.
Hier ist Gerd Piller mit Schweinen, Pferden und Schafen groß geworden. Er sagt: "Für solche Gebäude braucht man heute einfach eine neue Nutzung. Die haben wir auch mit der Winzerstube gefunden." Deren Lage scheint ideal, würden doch die ungezählten Touristen auf dem Radwanderweg, der die Saale abwärts führt, direkt auf das Gehöft zufahren. "Arbeitet man draußen, wird man von vielen angesprochen und nach dem Weg gefragt." Eine Konkurrenz mit Hofmanns Hofcafé sieht er nicht. Man habe miteinander gesprochen und während dort Kaffee sowie Kuchen im Angebot seien, wolle er zum Wein Deftiges vom Knoblauchbrot bis zu Hausschlachtenem bieten.
Pillers Großvater stammt von Burgwerbener Weinbauern ab. Doch obwohl viele Kriechauer einst selbst Wein ausschenkten, hat erst der Enkel den Anbau in der Familie wieder aufleben lassen. Als Physikstudent in Dresden setzte Gerd Piller Ebereschen-, Apfel- sowie Kirschwein an und vor 30 Jahren rebte er seinen 600-Quadratmeter-Berg mit 250 Stöcken auf. Sogar manche "exotische" Sorte wie die Perle von Zala oder die Mädchentraube aus Ungarn standen dort wegen ihrer Früchte. Heute sind ausschließlich Portugieser und Gutedel die Hausweine. Diese Sorten gibt es als Herzogsberg ebenso in der Winzerstube wie anderen Rebensaft der Freyburger Winzervereinigung.