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Sergej Lochthofen Sergej Lochthofen: DDR-Autor der beiden Bücher "Schwarzes Eis" und "Grau"

Von Heike Riedel 29.10.2016, 09:00
Sergej Lochthofen
Sergej Lochthofen Peter Lisker

Weißenfels - Ein Deutscher schaut auf Russland. Oder ein Russe auf Deutschland? Sergej Lochthofen, der Autor der beiden Bücher „Schwarzes Eis“ und „Grau“, hat erst 1993 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Zuvor hat er in Erfurt als Journalist gearbeitet, zunächst bei der SED-Zeitung „Das Volk“, die sich als eine der ersten Zeitungsredaktionen im Osten Deutschlands nach der politischen Wende von der allmächtigen Partei unabhängig gemacht hat und als Thüringer Allgemeine unter seiner Leitung erste Reformzeitung wurde.

Weil er selbst nicht entlassen wollte, wurde er 2009 entlassen, sagt er stolz. Doch er bleibt ein gefragter Gesprächspartner und Schreiber. „Deutsch-Russisch geht immer“, sagt ihm 2012 ein junger Lektor vom Rowohlt-Verlag und fordert ihn auf, seine Familiengeschichte aufzuschreiben.

Sergej Lochthofen und seine Schellack-Singles

Allein die Eckdaten seines Lebens versprechen Brisanz: Geboren 1953 in Workuta, im Gulag. Sein Vater, ein deutscher Emigrant, wird wegen zu offener Worte von Stalin ins Arbeitslager verbannt. Dort lernt er Pawel, den Großvater von Sergej Lochthofen, kennen.

Nicht im Westen Deutschlands, sondern im thüringischen Gotha beginnt die Familie 1958 ihr Leben in Freiheit - aber unter Stasi-Beobachtung. Anders als sein sechs Jahre älterer Bruder besucht Sergej die russische Schule und macht mit 16 Jahren das Abitur in Ohrdruf, dort, wo er unter den Kindern von Offizieren als Sohn eines Zivilisten ein Exot ist.

Er kann Deutsch und entscheidet sich deswegen für Englischunterricht. Er hat deutsche und russische Verwandtschaft und kommt an Dinge, zu denen die anderen keinen Zugang haben - zum Beispiel Schellack-Singles, mit begehrten Musiktiteln.

Sergej Lochthofen über deutsch-russische Beziehungen in der DDR

Nach dem Abitur haut Sergej Lochthofen auf die Krim ab und beginnt ein Kunststudium. Die Musterung treibt ihn ein Jahr später illegal nach Deutschland zurück, wo er sich als Journalist probiert und in Leipzig das Studium beginnt.

Mit seiner Lesung in der Sparkasse in Weißenfels gab der 63-Jährige einen winzigen Einblick in das, was seine Familie erlebt hat - und damit in vieles, was nicht zu der offiziellen Darstellung der deutsch-russischen Beziehungen in der DDR, die er „eine Missgeburt Stalins“ nennt, passt.

Er offenbart etwas vom stalinistisch geprägten Innenleben zweier untergegangener Staaten, wie es seine Zuhörer kaum kennen. Schwarzes Eis ist vor allem die Geschichte seines Vaters, der zuletzt das Büromaschinenwerk Sömmerda leitete. Grau ist der nächste Teil der Familiengeschichte des Heimatlosen. (mz)