Schwester Agnes tourt wieder übers Land und hilft heilen
WEISSENFELS/ZEITZ/MZ. - Sie ist wieder da: Schwester Agnes. Doch sie hat einen anderen Namen und nennt sich nun Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis - kurz Verah genannt. Im Burgenlandkreis haben bisher 20 von ihnen ihre Arbeit aufgenommen. Verah lehnt sich an die mobile Krankenschwester in der DDR an, die bei den Gemeinden angestellt war.
Populär wurde die Gemeindeschwester durch die Schauspielerin Agnes Kraus in der DDR-Fernsehserie "Schwester Agnes", die mit ihrem Schwalbe-Moped und dem weißen Häubchen auf dem Kopf als Idealbild noch gut in Erinnerung ist. Damals brauste Agnes wie ihre Kolleginnen im wahren Leben über die Dörfer und versorgte Kranke. Eine Aufgabe, die nach der Wiedervereinigung gemäß dem bundesdeutschen Gesundheitssystem der Hausarzt übernahm.
Nun wird wieder zurückgerudert. Hintergrund ist der zunehmende Ärztemangel. Gab es beispielsweise im Burgenlandkreis 1997 noch 101 Hausärzte, so schrumpfte diese Zahl 2009 auf 76 zusammen, erklärt Mathias Tronnier, geschäftsführender Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Sachsen-Anhalt.
Eine der bisher 20 tätigen Versorgungsassistentinnen heißt Simone Zabel, sie arbeitet in Teuchern in der Praxis von Martina und Karl-Heinz Rössler. 2008 begann sie mit ihrer Ausbildung, die sie im Dezember 2010 beendet. "Meine Arbeit ist kein Ersatz für den Pflegedienst", sagt die 45-Jährige. Es sei eher ein Miteinander mit dem Pflegedienst. Über den Einsatz beim Hausbesuch entscheide der Arzt. "Der Bedarf an Versorgungsassistentinnen wird in Zukunft noch wesentlich größer werden", ist sich Simone Zabel sicher. Und das aus einem einfachen Grund heraus - der Ärztemangel in der Region werde ihrer Meinung nach zunehmen. Im Moment reiche ihr Einsatzgebiet etwa zehn Kilometer um Teuchern herum. "Die zumeist älteren Patienten sind für meinen Hausbesuch sehr dankbar", ergänzt sie. "Der Einsatz von Schwester Simone entlastet uns in unserer Arbeit", bestätigt Karl-Heinz Rössler. Das Modell laufe in guten Bahnen. Mit Barbara Erhardt haben die beiden promovierten Mediziner bereits eine zweite Krankenschwester zur Ausbildung als Versorgungsassistentin geschickt.
Das Ziel von Verah besteht darin, die verbleibenden Ärzte zu entlasten, so Mathias Tronnier. Sie sollen unter anderem Hausbesuche erledigen, dort die Patienten untersuchen, Blutdruck messen oder die Patienten sozial beraten. Auf Anordnung des Hausarztes können Hausbesuche bei chronisch kranken Patienten übernommen werden. Verah ist eine Erfolgsgeschichte: "Wir sind zu 100 Prozent zufrieden", ist von Doris Scheele, Sprecherin vom Sozialministerium Brandenburg, zu erfahren. Neben dem Brandenburger Modellprojekt gab es Versuche in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und in Sachsen-Anhalt. "Auch wir haben positive Erfahrungen aufzuweisen", sagt Tronnier.
Ein Haken bei der ganzen Sache blieb laut KV: Die Versorgungsassistentin kann nur bei drohender Unterversorgung im hausärztlichen Bereich eingesetzt werden. Und dieser Zustand trifft ausschließlich auf den Altkreis Weißenfels zu. Nicht auf Zeitz und auch nicht auf Nebra. Was unterversorgt ist und was nicht, legt ein Landesausschuss fest, in dem unter anderem Krankenkassen und Ärzte vertreten sind. "Das stimmt so nicht", ergänzt Hartmut Wurzbacher, Amtsarzt des Burgenlandkreises. In jeder Region des Burgenlandkreises kann eine Versorgungsassistentin tätig werden. "Ich sehe das positiv und kenne den Einsatz der Gemeindeschwester noch aus meiner Zeit, als ich selbst praktizierte." Wurzbacher glaubt, dass die Versorgungsassistentin arztentlastende Arbeiten für mehrere Hausärzte übernehmen könnte. Verah sollte seiner Auffassung nach mindestens in der Hälfte aller Praxen im Burgenlandkreis tätig werden, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu verbessern.