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"Original Saaletaler" "Original Saaletaler": Wie ein Lied entsteht

Von Julia Reinard 23.08.2016, 15:14
Rudolf Mildner und Julia Reinard testen, wie schnell man zu einem Lied kommt.
Rudolf Mildner und Julia Reinard testen, wie schnell man zu einem Lied kommt. Peter Lisker

Weißenfels - „Ich warte nicht darauf, dass die Muse mich küsst. Ich setze mich hin und schreibe ein Lied.“ Das hat Rudolf Mildner über das Komponieren von Liedern gesagt. Mildner ist einer der Musiker der „Original Saaletaler“. Eine faszinierende Aussage, bedeutet sie doch, auf Abruf künstlerisch tätig sein zu können. Geht das wirklich? Das würde ich gern erfahren. Am besten ganz praktisch.

Die Idee

Der Weißenfelser komponiert ein Lied auf Basis meiner Textvorschläge. Als ich dem 69-Jährigen den Vorschlag mache, klingt er zwar erstaunt, sagt aber sofort zu. Aha, denke ich, er ist sich seiner Sache sicher. Mein Vorschlag war, ein paar Wörter mitzubringen, aus denen wir etwas formulieren. Der Experte findet, eine Geschichte oder ein Thema seien besser.

Der Text

Zwei Themen bringe ich mit in Mildners Musikraum. Wir setzen uns an einen Holztisch, trinken selbst gemachten Traubensaft. Hinter mir steht ein Keyboard, im Wandregal eine Anlage. Ich mache meinen Favoriten-Vorschlag, ein meiner Meinung nach „eher melancholisches Thema“: In der Zeitung steht, dass die Menschen, die zum Arbeiten in den Westen gegangen sind, mittlerweile zurückkehren. Viele haben dort Arbeit gefunden, Kinder und Enkel leben jetzt anderswo. Zwar sei der eigene Enkel noch nicht zurück, aber das Kind einer Freundin ... Rudolf Mildner winkt ab. „Das Lied haben wir schon in den 1990ern gemacht!“ – Oh. Aha. – „Wir spielen es nur nicht mehr, weil wir auf der Bühne fast weinen müssen.“

Mildner legt eine CD ein und spielt das Lied vor. Es trifft genau den Tenor des Vorschlags samt Rückkehr-Fantasie. Rudolf Mildners sonst fester Blick verschwimmt: „Es rührt mich immer noch an.“

Mein anderer Vorschlag hat ein fröhliches Thema: das Freibad. Inhaltlich in etwa so: Was dort alles erlebt wurde – Freunde treffen, springen, planschen, wettschwimmen, tauchen, Bockwurst-Mittagessen. Freibad, wie es früher war. Nun soll es schließen, stand in der Zeitung – aber glücklicherweise nur für den Umbau.

Mildner nickt: „Wir haben schon über fast alles geschrieben, aber das hatten wir noch nicht“, sagt er. Und: „Freibad, wie es früher war“, sei ein guter erster Satz. Mildners Expertentipp fürs Liedtext-Schreiben: Die erste Zeile des Liedes und die erste Zeile der zweiten Strophe des Liedes müssten gleich viele Silben und gleiche Betonung haben.

Wir legen gemeinsam los:

„Freibad, wie es früher war. Freunde treffen, Bockwurst-Essen,

planschen, schwimmen, wunderbar

Badehose nicht vergessen.“

Es reimt sich, juhu! – Nur: Es ist nicht genug. Es fehle noch ein Reim, sagt Mildner. Noch mal gegrübelt. Mit Erfolg:

„Nach dem Sprung vom Beckenrand

kommt der Bademeister angerannt,

schimpft uns aus und ist erbost.

Wir rennen los und lachen bloß.“

Und der Refrain? „Kurz und prägnant muss er sein. Den muss man nach dem zweiten Hören mitsingen können“, verrät Mildner. Am allerbesten wäre bei einem Lied mit leichtem Thema sogar noch eine humorvolle Wendung am Schluss. Wir suchen gemeinsam und nach kurzer Zeit steht der Vierzeiler:

„Sommer, Hitze, Sonnenschein

lädt zur Fahrt ins Freibad ein.

Badehose eingepackt

und zur Not geht es auch nackt.“

Die Musik

Schon, noch während die erste Strophe entsteht, setzt sich Mildner ans Keyboard und spielt Klavier. Hohe Töne, flottes Tempo. Er nennt es „ein bisschen was Prickelndes“. Ich denke, genauso könnten Kinderspiele klingen. Das passt zum Freibad-Lied.

Als die Strophe formuliert ist, lese ich den Text und er improvisiert. Für mich klingt’s gut. Aus dem „Bademeister“ machen wir aus Rhythmusgründen einen „Meister“. Ich denke, der Hörer versteht es auch so.

Mildner spielt eine halbe Zeile der Strophe. Bricht ab. Probiert es drei Töne höher noch mal. Ich bin Musik-Laie ohne Instrumentenkenntnis, jede seiner angespielten Varianten klingt für mich gut, aber er wirkt unzufrieden. „Ja“, bestätigt er, „ich merke, da stimmt was nicht.“ – Im Text? In der Länge? Im Rhythmus? Er weiß es nicht genau, nur entsteht aus den einzelnen Zeilen kein Ganzes.

Wir probieren den Refrain: „Sommer, Hitze, Sonnenschein“ – aufsteigende Töne. Die Melodie klingt vertraut, sympathisch – und kurioserweise auch sommerlich. Mildners Fuß tippt im Takt, ich wippe mit. Die vier kurzen Zeilen finden sich melodisch fast von selbst. Drei Durchgänge und auch der Meister ist zufrieden.

Würde er morgen die Melodie noch wissen? „Wenn ich den Text vor mir habe, ist auch die Melodie wieder da“, sagt Mildner. Aber zur Sicherheit liegen Bleistift und Notenblatt bereit.

Das Ergebnis

Ein ganzes Lied ist leider nicht entstanden. Allerdings liegt das am nicht ganz tauglichen Text. Mildner sagt, üblicherweise bekäme er fertige Liedtexte und komponiere dann. Aber auch bei den Profis schreibe einer musikalischer als ein anderer. „Den besten Texten wohnt die Melodie schon inne“, ist seine Erfahrung. Vielleicht gilt das ja auch für unseren Refrain? Der geht ins Ohr, finde ich. Am Rest müsste man noch feilen. Mildner bietet das an. Das müsse er nicht tun, sage ich ihm. Wenn die „Original Saaletaler“ nicht schon immer ein Freibad-Lied bringen wollten, dann belassen wir unser Tagwerk einfach beim eingängigen Refrain. (mz)