Nietzsche-Gedenkstätte in Röcken Nietzsche-Gedenkstätte in Röcken: Stabilität ist nur am Bau in Sicht

Röcken/MZ - „Wollen Sie in dem Pfarrhaus leben, wo Friedrich Nietzsche aufgewachsen ist?“ Die Einladung von Gemeindekirchenratsmitglied Dorothee Berthold ist sehr ernst gemeint. Denn sie rechnet damit, das der neue Pfarrer, der im Sommer sein Amt im Kirchspiel Lützener Land antreten soll, seinen Wohnsitz nicht in Röcken nimmt. Läuft das aber nach allen Entscheidungen, die dazu vom Kirchenkreis noch getroffen werden müssen, darauf hinaus, sucht das Kirchspiel dringend einen Mieter für das Pfarrhaus, sagt Berthold. Nicht irgendeinen, sondern einen, der mit Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) vertraut ist und sich gern mit um die Gedenkstätte für den Philosophen an seinem Geburtsort kümmert. Denn wieder einmal steht in Frage, wer die Betreuung übernimmt, wenn Ende Mai das Jahr Bundesfreiwilligendienst für Heidemarie Thamm zu Ende geht.
Zur Nietzsche-Gedenkstätte in Röcken gehört das Ensemble mit dem Pfarrhaus, in dem Friedrich Nietzsche am 15. Oktober 1844 geboren wurde, der Taufkirche, der Grabstätte und der Ausstellung, die in einem der Nebengebäude eingerichtet wurde. In der Kirche hielt Vater Carl Ludwig Nietzsche Predigten, sie war mit ihrem Umfeld jener Ort, der Friedrich Nietzsche in den ersten sechs Lebensjahren prägte. 2000 wurde das Röckener Bacchanal, eine Figurengruppe von Klaus F. Messerschmidt, errichtet.
Noch hofft Berthold auf eine Lösung über die Beschäftigungsgesellschaft Gesa, also einen Ein-Euro-Job, doch weiß sie, dass es schwer ist, darüber so sachkundige und mit dem Thema Nietzsche vertraute Menschen wie Thamm zu bekommen. Die Röckenerin hat seit der Einrichtung des Museums 1994 im Wechsel mit anderen immer wieder über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und andere Beschäftigungskonstruktionen die Gedenkstätte nicht nur geöffnet, sondern sich selbst in ihre Entwicklung mit eingebracht und Besuchern sachkundige Auskünfte zu Nietzsche und zur Geschichte des Ortes gegeben.
„Jetzt aber suchen wir erst einmal jemanden, der einfach die Türen öffnet, wenn Gäste da sind“, schraubt Berthold die Ansprüche zurück. Sie selbst hat sich sogar zeitweise mit um die Besucher gekümmert, wenn niemand anderes zur Verfügung stand. „Wir haben hier ein Kleinod, das Nietzsche-Fans aus der ganzen Welt heranzieht. Auch wenn es nicht Massen an Besuchern sind, sondern nur 1000 im Jahr, wir haben hier doch etwas, das seinesgleichen sucht und wir nicht aufgeben können“, kämpft sie für Röcken und die Kirche des Ortes.
Sie ist zuversichtlich, dass sich Lösungen auch für die Personalfrage finden lassen. Kurzfristig - aber vielleicht sogar langfristig, wenn sich jemand finden sollte, der ins Pfarrhaus einzieht und freie Kapazitäten hat, sich mit Nietzsche und der Gedenkstätte zu beschäftigen. Erst einmal freut sie sich aber, dass es jetzt baulich an der Gedenkstätte vorwärts geht - genauer, am Kirchturm Röcken. Der ist schon seit 800 Jahren Zeichen des christlichen Glaubens im Ort. Er wird jetzt saniert, damit auch zukünftig noch Gottesdienste in der kleinen Wehrkirche stattfinden können, stellt Berthold klar. Doch räumt Christiane Kellner, Superintendentin des Kirchenkreises Merseburg, ein, dass für die Erhaltung dieser Kirche auch die Nietzsche-Gedenkstätte, zu deren laut Kellner „wunderschönem Ensemble“ sie gehört, ein Argument ist.
Spenden mit Angabe des Verwendungszwecks „Kirche Röcken“ können eingezahlt werden an:
RT 124 Kirchspiel Lützener Land
bei der KD-Bank eG Dortmund,
IBAN: DE10 3506 0190 1550 105027
Nachdem in der vergangenen Woche bereits das Gerüst aufgestellt wurde, hat nun die Firma Spitzenbau aus Weißenfels die Arbeiten begonnen, in deren Ergebnis drei Anker den Kirchturm zusammenhalten sollen. Innen und außen sichtbare Risse haben davon gesprochen, dass Kräfte, die von Setzungen im Boden ausgehen, ihn auseinandergetrieben hatten.
Mit 24 000 Euro Fördermitteln aus dem Leader-Programm zur Förderung des ländlichen Raums und noch einmal so viel Geld vom Kirchenkreis will das Kirchspiel Lützener Land die Bauaufgabe stemmen. 16 000 Euro muss es an Eigenmitteln aufbringen und wirbt nun Spenden dafür ein. Mit 550 Euro ist der Grundstock gelegt.
