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KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora: In der Fabrik des Todes

Von Holger Zimmer 18.06.2013, 17:48
Die Schüler vor einer Luftbildaufnahme des Konzentrationslagers.
Die Schüler vor einer Luftbildaufnahme des Konzentrationslagers. mz Lizenz

Nordhausen/MZ - Die Sonne ist das Einzige an diesem Frühsommertag, was die Neuntklässler der Privaten Allgemeinbildenden Schulen Großkorbetha erwärmen kann. Eine gute Dreiviertelstunde halten sie sich in den Stollen der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora auf. Hierher kamen im August 1943 die ersten Häftlinge, um die sogenannten V-Waffen für den Luftkrieg der Nazis zu produzieren. Untergebracht waren sie zunächst in den Stollen selbst. Hier liegt die Lufttemperatur konstant bei acht Grad. Nach 45 Minuten frösteln die Schüler. Für viele Häftlinge war die Kälte neben Hunger, Durst und harter Zwangsarbeit das Todesurteil.

Asche der Toten am Hang

Für die 14- und 15-Jährigen schließt sich der Kreis drei Stunden später. Waldrand und Vogelgezwitscher - doch von Idylle keine Spur, als sie vor dem Krematorium stehen und hineingehen. Dann ist - im grotesken Kontrast dazu - im Raum neben den Leichen fressenden Öfen eine bunte Wand mit Sonne, Blumen und Tieren zu sehen. Die anheimelnde Atmosphäre für einen SS-Arzt beim Unterschreiben der Leichenscheine? Der Abhang hinter dem Gebäude hingegen besteht zum großen Teil aus der Asche der Opfer.

Klassenlehrer Frank Mattstedt sagt, dass man im Vorjahr erstmals mit den Achtklässlern in die KZ-Gedenkstätte gefahren sei. Künftig will man jährlich mit den neunten Klassen zum Mittelbau-Dora kommen. Das sei besser, weil dann auf dem Lehrplan Nazi-Herrschaft, Terror und Krieg stehen. Dennoch stößt Angela Fiedermann von der Gedenkstätte in ihren einleitenden Worten vor der Führung an Grenzen, als sie die Schüler einbeziehen will. Geschichtslehrerin Christel Nordhausen weist deshalb darauf hin, dass man gerade erst bei der Machtergreifung 1933 sei.

Die Konzentrationslager sind aber für Robert Riedel schon ein Begriff, wenngleich er den Mittelbau-Dora zunächst ein Sammellager nennt, von dem die Häftlinge weitertransportiert wurden. Irgendwo habe er das gehört. Später korrigiert er sich, sagt, dass man sich in die Menschen, die das durchmachen mussten, nicht hineinversetzen könne. Zusammengepfercht auf engstem Raum und dann die harte Arbeit, das lasse sich mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehen. Wie die anderen hat Michelle Koch im Vorfeld schon mal in der Schule gehört, um was es geht, sich außerdem im Internet schlau gemacht. Ihr Interesse begründet sie so: „Man muss doch sehen, was damals getan wurde.“ Dennoch können einige der Schüler die Fragen von Angela Fiedermann beantworten, wissen, dass neben Zeugen Jehovas sowie Sinti und Roma, vor allem politisch Verfolgte und Juden in die Lager kamen. Und sie erfahren, dass Polen und Russen ganz unten in der Hierarchie standen, die medizinische Versorgung äußerst miserabel war und ein Mensch nur solange etwas zählte, wie er schuften konnte.

Bastian Saupe ist schon mal in der Gedenkstätte gewesen und kann sich erinnern. Zum Beispiel daran, wie es im Krematorium war. „Das ist einfach schlimm, was hier angerichtet wurde, das darf man mit Menschen nicht tun.“ Und Vanessa Mohr meint: „Man kann sich nicht vorstellen, wie die Menschen ohne Tageslicht gelebt haben. Das muss schrecklich gewesen sein.“ Die Menschen müssten sich komplett ändern, um auch künftig so etwas unmöglich zu machen. Da müsste es dann auch gleiche Chancen auf Arbeit für alle geben.

Das Krematorium liegt hinter ihnen, die Heimfahrt vor den Schülern. Mehrheitlich entscheiden sie sich dafür, nicht am Hang, auf dem die Asche von zig anonymen Opfern liegt, sondern am offiziellen Denkmal in der Nähe Blumen niederzulegen. Das tun Georg Saupe und Julia Schreiber. Der Bad Dürrenberger sagt: „Der Besuch hier ist notwendig, um zu sehen, wie schlimm Menschen damals gedacht und gehandelt haben, wie groß die Qualen der Opfer waren. Das darf es nicht wieder geben.“ Von Trauer und Gänsehaut spricht Julia Schreiber, wenn sie sich vorstellt, wie einfach es für das Nazi-Regime war, die Menschen damals einzusperren. Und Oliver Pecher sagt: „Was passiert ist, war nicht in Ordnung.“ Darüber im Unterricht zu erfahren, sei eine Seite, aber das müsse man sich selbst anschauen.

Es gibt immer weniger Zeitzeugen

Fremdsprachen hat Angela Fiedermann mal unterrichtet, nun arbeitet sie seit 24 Jahren in der Gedenkstätte. Ihre pädagogische Ausbildung helfe ihr dabei, das Wissen über jene Zeit zu vermitteln. Das sei wichtig, weil es 68 Jahre nach Kriegsende kaum noch Zeitzeugen gebe. „Denn wer damals 20 war, ist heute fast 90.“ Die Besucher würden nicht nur aus Thüringen und Sachsen-Anhalt kommen, sondern auch aus Niedersachsen und Sachsen, darunter Schüler ab der 9. Klasse, die das Terrorregime der Nazis im Unterricht durchgenommen hätten und wüssten, um was es geht.