Konzert Konzert: Mit Chic und Charme
WEISSENFELS/MZ. - Dieser Abend hat Stil, das zeigt sich von Anfang an. Denn durchs Programm "In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine" führt Paul Holzmann - als Conférencier. Diese Tätigkeit des charmanten Ansagens ist ein bisschen aus der Mode gekommen. Umso schöner die Entführung in eine Zeit, als sie noch selbstverständlich war.
Die Musik des Komponisten Franz Grothe steht auf dem Programm - und der hat für unzählige Melodien gesorgt, die in Deutschland gepfiffen und gesummt wurden. "An die 1 000 Lieder" habe Grothe komponiert, erzählt Holzmann und stimmt eines davon an: "So ein Kuss kommt von allein", swingt die sechsköpfige Begleitband, Holzmann singt den Text und greift dann zur Violine, um als zweite Geige mitzuspielen.
Die erste Geige spielt nämlich eine Frau: Lisa Hansen heißt sie während der Revue; Sonja Firker im realen Leben. Und die will sich auch von einem charmanten Mann in Frack und Zylinder nichts sagen lassen. Sie gibt Kontra, wo sie kann und stichelt immer wieder. Sie überragt den Bariton um Kopfeslänge und das Publikum merkt, wofür ein Zylinder alles gut sein kann - zum Beispiel, um größer zu wirken, als die Natur es entschieden hat.
Doch gestichelt wird nur ohne Melodie - sobald ein Lied folgt, herrscht schönste Harmonie. Da wird miteinander gesungen und musiziert. Spielt Mareike Schinzel, die zweite Frau des Ensembles, nicht bloß Saxophon und Klarinette, sondern singt dann auch noch ein Duett. Darin ist dieses Orchester grandios: Im fliegenden Wechsel entstehen immer neue Kombinationen an Stimmen und Musikinstrumenten.
An einer Stelle sing Lisa Hansen einen schmissigen Schlager "Warum fuhr Columbus nach Amerika?" allein zum Sound der Kapelle, während alle Männer der Revue später a capella und ihr zugewandt erbitten: "Lass mich dein Badewasser schlürfen". Im Duett schmettern Holzmann und Hansen "Nur auf die Minute kommt es immer an", ein Stück, mit dem Ernst Busch auf Tour ging. Während ein musikalischer Gruß aus den Weiten des russischen Ostens durchs Kulturhaus weht, wenn alle gemeinsam "Olga, Tochter der Wolga" zum besten geben.
Gerta Berger gefällt das Konzert. Sie sagt, sie kenne Grothe aus der Sendung "Zum blauen Bock", wo er über Jahrzehnte musikalischer Leiter war. Und die Lieder sagen ihr auch etwas. Anders ist das bei ihrer Tochter Andrea Günther. Sie begleitet ihre Mutter ins Kulturhaus, kannte den Komponisten aber bislang nicht. Ihr Urteil: "Mir gefällt es, es ist schön anzuhören."
In Sachen Stil konnte auch das Kulturhaus punkten. Es wirkte wie die treffende Umgebung mit seinem bordeaux-roten Vorhang, den Balkonen, die sogar in die Revue einbezogen wurden - Paul Holzmann spielte ein ergreifendes Solo von der ersten Etage herab. Selbst die Diskokugel kam zu Ehren, als sie Lichtpunkte durch den Saal schickte.
Da darf ein interessierter Blick ins Publikum natürlich nicht fehlen. Gaby Seliger hatte sich vom Chic der Zeit anstecken lassen. Sie kam im "kleinen Schwarzen" - einem samtenen Kleid mit Fransen. "Ja, das habe ich bewusst angezogen", gibt sie lachend zu. Denn bei einem Konzert von Max Raabe habe sie erlebt, wie Gäste in eleganter Kleidung, die an die Goldenen Zwanziger erinnerte, erschienen waren. Das habe sie zum Vorbild genommen, erzählt die Lützenerin. Auf der Bühne wäre sie damit kaum aufgefallen.