Königin der Landwirtschaft
Nessa/MZ. - Ein grüner Gürtel mit Bäumen und Gehölzen umgibt die Ställe in Nessa. Sofort kitzelt derbe Landluft die Nase. 15 Rinder auf der Weide empfangen den Gast. 1 275 Milchkühe stehen in den Ställen, hinzu kommen 990 Jungrinder und Kälbchen. "40 Jahre war ich in der Landwirtschaft tätig, die letzte Zeit als Geschäftsführer in Reichardtswerben", plaudert Rohland Bauer. Er hat Landwirtschaftsgeschichte mitgeschrieben.
"Zuerst war ich in der LPG vom Typ 1, die Felder wurden zusammen gelegt und gemeinsam bewirtschaftet. Jeder Bauer hatte eigene Tiere auf dem Hof", erzählt er. Anfang der 70er Jahre wurde daraus die LPG mit den Abteilungen Pflanzenproduktion und Tierproduktion. So kam Bauer zur Milchproduktion nach Reichardtswerben. Seit letztem Jahr nimmt er eine Altersteilzeit in Anspruch, doch von seinem Betrieb kann er nicht lassen. Jeden Mittwoch ist er im Haus. "Zu DDR-Zeiten gab eine Kuh rund 3 500 Liter Milch im Jahr. Heute geben die Besten zwischen 12 000 und 15 000 Liter, der Durchschnitt liegt bei 9 500 Liter bei unseren Kühen", sagt Bauer stolz. Das liege vor allem am Kraftfutter (welches zu DDR-Zeiten fehlte) und an der neuen Rasse. Früher waren es eine Art Allround-Rinder, die Milch liefern sollten und später eine saftige Roulade. Die heutigen Holstein-Friesian sind reine Milchkühe. Der Milchpreis ist seit Monaten im Keller. "28 Cent pro Liter gibt es, doch der Preis steigt. Bis zum Herbst um einen Cent, bis Jahresende auf 32 bis 33 Cent", rechnet Bauer.
An dieser Stelle kommt er auf seine Chefs zu sprechen. Sie stammen aus Holland, und das sei gut so. "Bei den Holländern steht das Tier noch im Mittelpunkt der Arbeit. Nicht der Gewinn", urteilt Bauer. Denn bei dem schlechten Milchpreis der letzten Jahre verabschiedeten sich immer mehr Firmen von der Milchproduktion. Dies öffnete das Tor für die Holländer. Jack Koopman kaufte nicht nur die Anlagen in Reichardtswerben (1999) und Nessa (2000), sondern besitzt auch eine Farm mit 8 000 Rindern in Amerika und eine weitere in der Nähe von Moskau. Die Geschäfte in der Region Weißenfels führt ebenfalls ein Holländer namens Hendriks Sander. In alten Futterlagern wurden Wände entfernt, Absperrungen und Stroh hinein - fertig sind die Liegeplätze. Nagelneu ist der Melkstand. 48 Kühe stehen im Fischgräten-System. Melken ohne Stress ist für die Tiere besonders wichtig. Die Anlage ist natürlich computergesteuert. Auch deswegen arbeiten nur noch drei Leute pro Schicht, dafür rund um die Uhr. In Nessa gibt es 13 Beschäftigte auf der Milchfarm, in Reichardtswerben sind es 28. "Für mich ist die Milchproduktion die Königsdisziplin in der Landwirtschaft", sagt Bauer. Hier muss vom Futter bis zur peniblen Hygiene beim Melken alles stimmen. Das Futter werde rund um Nessa angebaut. Auf rund 800 Hektar wachsen Mais, Luzerne, Gras und ein wenig Getreide.