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Interview mit Pilz-Sachverständigen Interview mit Pilz-Sachverständigen: Pilze wachsen nicht, sie strecken sich

Von klaus-dieter kunick 09.10.2013, 09:39
Eberhard Ditscher, Pilzsachverständiger: „Wer damals Pilze essen wollte, musste in den Wald gehen.“
Eberhard Ditscher, Pilzsachverständiger: „Wer damals Pilze essen wollte, musste in den Wald gehen.“ Archiv/H. Krimmer Lizenz

zeitz/MZ - Jetzt im Herbst ist Pilzhochsaison. MZ-Mitarbeiter Klaus-Dieter Kunick sprach deshalb mit dem Zeitzer Sachverständigen Eberhard Ditscher. Er kennt sich seit 35 Jahren mit Pilzen aus und hat bisher mehr als 33 000 Sorten bestimmt. 1984 waren bei ihm knapp 400 Leute, um sich Rat zu holen. In diesem Jahr kamen zu ihm bisher 57 Pilzsammler.

Warum sind zu DDR-Zeit mehr Leute als heutzutage zu Ihnen gekommen?

Ditscher: Wer damals Pilze essen wollte, musste in den Wald gehen, es gab kaum welche zu kaufen. Das hat sich heutzutage gewandelt, Pilze gibt es in jedem Supermarkt.

Was muss man beim Zubereiten von Speisepilzen wegschneiden?

Ditscher: Unter anderem Schneckenfraß und bei bestimmten Arten die Pilzhaut. Beispielsweise ist beim Butterpilz die Haut schwer verdaulich.

Wie viele Pilzarten gibt es in Mitteleuropa?

Ditscher: Da streiten sich die Gelehrten, in unserer Gegend gibt es ungefähr 300 verwertbare Pilze.

Wie viele Speisepilze und Giftpilze gibt es?

Ditscher: Bei den Speisepilzen sind es rund 80 Arten, bei Giftpilzen kann ich mich nicht festlegen, die Zahl ist beträchtlich höher.

Was ist unter essbar und was unter ungenießbar zu verstehen?

Ditscher: Essbar sind die Pilze, die man sofort verzehren kann. Ungenießbar die, die man nur mit Vorbehandlung essen kann, wie den Birken-Reizker. Der muss einsiliert werden, es ist ein hoher Aufwand notwendig. Ob der am Ende schmeckt, das weiß ich nicht, ich habe es noch nicht probiert.

Wachsen Pilze nur nachts?

Ditscher: Pilze wachsen nicht, sie strecken sich bei Aufnahme von Feuchtigkeit und Wärme.

Darf man Pilze beim Sammeln unten abschneiden?

Ditscher: Eindeutig ja, abdrehen ist unsinnig.

Kann man im nächsten Jahr an der selben Stelle wieder Pilze finden?

Ditscher: Selbstverständlich, vorausgesetzt natürlich, man findet die gleiche Stelle wieder. Es gibt schon etliche Leute, die sich das merken.

Gibt es eine Methode, Giftpilze von Speisepilzen zu unterscheiden?

Ditscher:

Nein, das funktioniert nicht. Einst glaubten die Leute, wenn man einen silbernen Löffel zu den Pilzen legt und der dann schwarz wird, dann ist der Pilz giftig. Aber das ist reiner Aberglaube.

Wie gefährlich ist eigentlich der Fuchsbandwurm?

Ditscher: In Niedersachsen sind rund 70 Prozent der Füchse damit befallen, eine Person hat sich bisher infiziert. In Sachsen-Anhalt sollen 30 Prozent der Füchse den Wurm haben. Bis jetzt kenne ich keinen Fall, das Menschen geschädigt wurden. Die Keime werden beim Erhitzen der Pilze abgetötet. Den Bandwurm kann man übrigens auch über die Heidelbeere aufnehmen.

Ist es ratsam, in Folie verpackte Champignons zu kaufen?

Ditscher: Da sehe ich kein Problem. Bei Pilzen aus Polen, Weißrussland oder den baltischen Staaten rate ich hingegen ab. Durch das Reaktorunglück in Tschernobyl ist der Boden immer noch verseucht. Es mag Leute geben, die meinen, diese Pilze seien unbedenklich. Ich esse die jedenfalls nicht.

Trägt man als Pilzsammler zum Artensterben bei?

Ditscher: Ja, wenn man geschützte Arten in großen Mengen sammelt, beispielsweise den Grünling. Grundsätzlich sollten nur die Pilze mitgenommen werden, die bekannt sind. Es ist schon seit längerer Zeit leider eine absolute Unsitte geworden, alles in den Korb zu legen, was gefunden wird. Sich vor dem Sammeln der Pilze zu erkundigen, das macht Sinn.

Darf man Pilze wieder aufwärmen?

Ditscher: Ja, Pilze sind wie jedes andere gekochte und gegarte Nahrungsmittel zu behandeln.