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Innenstadt in Not Innenstadt in Not: So reagieren Händler und Handwerker auf längeren Lockdown

Von Alexander Kempf und Andrea Hamann-Richter 12.02.2021, 16:11
Besonders der Einzelhandel hat in der Innenstadt von Weißenfels zu kämpfen. 
Besonders der Einzelhandel hat in der Innenstadt von Weißenfels zu kämpfen.  Michael Thomé

Weissenfels - Vor dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Länderchefs hegte die Weißenfelser Innenstadthändlerin Annett Straube noch ein wenig Hoffnung. Vielleicht könnte sie ihre Boutique Fashion Dream wenigstens ab dem 1. März wieder öffnen. Doch es kam anders und die Unternehmerin muss einen weiteren Nackenschlag verkraften. „Der Druck wird immer größer. Die neue Ware für den Frühjahr und Sommer wird täglich angeliefert und die Rechnungen schiebe ich vor mir her“, gesteht sie. Erschwerend kommt hinzu, dass nun auch noch die Steuervorauszahlung fällig wird. Diese konnte sie im vergangenen Jahr noch aussetzen.

Innenstadt in Not: Nicht nur die Zukunft einzelner Händler steht auf dem Spiel

Im März 2020 habe die Händlerin eine Soforthilfe bekommen. „Aber seitdem habe ich nicht einen weiteren Cent staatlicher Hilfe enthalten“, kritisiert sie. Nun hofft sie auf Geld aus dem Topf der Überbrückungshilfe 3. Die Anträge liegen bei ihrem Steuerberater. „Wir Einzelhändler fühlen uns im Stich gelassen und wir sitzen alle in einem Boot“, sagt Annett Straube. Langsam verliere sie das Vertrauen in die Bundesregierung. Und auf eine Öffnung der Geschäfte ab dem 7. März wagt sie kaum noch zu hoffen.

Nicht nur die Zukunft einzelner Händler steht auf dem Spiel. Mancher fürchtet die gesamte Weißenfelser Innenstadt könnte spürbar an Attraktivität verlieren, wenn Handwerker und Händler die Krise nicht durchstehen. „Was jetzt zumacht, das kommt nie wieder“, warnt Unternehmer Wolfgang Lehmann von Messer Lehmann aus der Großen Kalandstraße. Er verweist auf Schuster oder Korbmacher, die längst auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind.

Wie lange reichen die letzten Reserven der Innenstadthändler noch?

Gerade für reine Händler sei die Pandemie existenzbedrohend, beobachtet Wolfgang Lehmann. Er etwa habe noch das Glück, breiter aufgestellt zu sein. Mit seinem Schlüsseldienst kann er weiter Dienstleistungen erbringen. Auch das Geschäft im eigenen Haus führe zu weniger laufenden Kosten und damit weniger Druck. Doch Verluste hat auch Wolfgang Lehmann erlitten. Er verweist auf den für ihn wichtigen Verkauf von Feuerwerk, der ihm Ende vergangenen Jahres zu einhundert Prozent weggebrochen ist.

Mit der derzeitigen Situation sei niemand glücklich. Aber was soll man schon tun, fragt der Unternehmer. „Wir müssen da durch“, sagt er. Doch wie lange reichen die letzten Reserven der Innenstadthändler noch? Zumal niemand vorhersagen kann, wie sich die Inzidenz-Zahlen im Kreis, im Land und bundesweit entwickeln. „Unsere Reserven sind nun langsam aufgebraucht“, gesteht Weinhändler Udo Peschke aus der Jüdenstraße. Und er fügt an, dass er viele Einzelhändler kennt, die nicht nur nervlich, sondern auch finanziell am Ende sind. 

Vernunft und Verständnis, aber auch Enttäuschung über längeren Lockdown

Eine Hoffnung bleibt, dass die dringend benötigten finanziellen Abschlagszahlungen endlich fließen. Dabei hat Udo Peschke im Gegensatz zu Bekannten den Vorteil, dass nicht seine Existenz auf dem Spiel steht. Denn die Weinhandlung ist für den Ruheständler ein Nebengeschäft. Er vermisst nicht nur Einnahmen, sondern auch den sozialen Kontakt zu den Kunden.

Vernünftig sei die Handhabe der Bundesregierung aus Sicht von Udo Peschke dennoch. Denn die Corona-Infektionszahlen müssten weiter runtergehen. Zu früh zu lockern und zu öffnen berge die Gefahr einer weiteren Pandemiewelle, fürchtet er. Zwar ist er überzeugt, dass sich die Menschen nicht in den Geschäften anstecken. Aber die mit der Öffnung verbundene Mobilität stelle ein Risiko dar. Einen großen Kritikpunkt aber hat Udo Peschke. Die Regierung fahre keine klare Linie und wecke bei den Menschen immer wieder falsche Hoffnungen. (mz)