Hochwasser in Weißenfels Hochwasser in Weißenfels: Leben auf der Insel

weissenfels/MZ - Auch wenn der Saalepegel weiter sinkt, ist das Wohn- und Geschäftshaus von Thill-Optik in der Weißenfelser Dammstraße 1 noch immer vom Wasser der Saale umschlossen. Nur mit Wathose und hohen Gummistiefeln ist die Insel der Familie für Kunden und Postboten zu erreichen. Und weil das für die meisten nicht machbar ist, übernehmen Stephan Zeymer, Schwiegersohn von Frank und Rosel-Maria Thill, und Nachbar Wolfgang Lehmann, der eine Instrumentenschleiferei und einen Schlüsseldienst in der Großen Kalandstraße betreibt, abwechselnd die Botengänge durch das braune Wasser.
Lehmanns nehmen Waren und Post für die Optikermeister entgegen, auch Mittagessen kocht Yvonne Lehmann für die Nachbarn mit. „Wären wir vom Hochwasser betroffen, würden Thills das auch für uns tun, da bin ich mir sicher“, sagt die beherzte Geschäftsfrau. Außerdem koche sie sowieso jeden Tag für die eigene Familie. Am Donnerstag gab es Ente, Rotkohl und Klöße.
„Enten sind das Stichwort“, meint Frank Thill schmunzelnd. Die schwimmen jetzt täglich im Hof umher, der ein See ist, und lassen sich von der ganzen Familie und den Mitarbeitern der Optikerei füttern. Außerdem hat seine Frau vier Entenfiguren auf einer Couch im Schaufenster platziert. Ist das Galgenhumor? Etwas Besseres habe die Familie nicht parat, ulkt Thill, der sein eigener Krisenmanager ist, teure Geräte rechtzeitig durch Holzpodeste gesichert hat. Nur Dekomaterial ist unbrauchbargeworden und Laminatfußboden muss durch Fliesen ersetzt werden, beschreibt er Schäden. Die Erfahrung aus dem Hochwasser von 1994 habe ihn gelehrt, sich vorzubereiten, wenn der Fluss an der Pfennigbrücke wieder sein Bett verlässt. Mit vier Schotten aus Kunststoff vor den Außentüren haben sich die Geschäftsleute verbarrikadiert, um vorzubeugen. Die Firma Weiku hat sie als Hochwasserschutz nach Maß angefertigt, sie haben schon geholfen, damit nicht zu viel Nass in den Laden schwappen kann. Zudem hatte sich die Familie mit Pumpen und Notstromaggregat beizeiten ausgerüstet. „Ohne diese Technik wären wir voll abgesoffen, das war unsere härteste Probe. Wir schieben seit Tagen abwechselnd Nachtschichten, jetzt weiß ich, wie schrecklich die sind“, erklärt Rosel-Maria Thill.
Doch sie habe es mit Tochter Antje locker genommen, sich mit Kaffee und Cola wach gehalten, mit Schokolade die Nerven beruhigt und Geschichten erfunden. Zwei Pumpen tragen jetzt Namen. Die eine heißt Heike Drechsler, „weil sie beim Luftsaugen sportlich zappelt. Die andere ist adelig, trägt den Namen von Prosser - wie der Klempner, der uns das Gerät geborgt hat.“ Thills sind dankbar für die viele Hilfe, sie baue auf und mache Mut.
Seit Donnerstag läuft das große Aufräumen mit dem gesamten Team, am Freitag wollen die Optiker ihr Geschäft aufmachen. Für Kunden wird es ohne Gummistiefel weiter nicht erreichbar sein. Dennoch wagen die Gewerbetreibenden den Schritt. Froh sind sie, dass ihre Mieter, die mit im Haus wohnen, bei Freunden untergekommen sind. Das betrifft auch Enkelin Mia.