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Heimatgeschichte Heimatgeschichte: Gräfin hat Dehlitz wohl nie gesehen

Von Ingo Bach 08.10.2015, 12:11
Die Kirche in Dehlitz
Die Kirche in Dehlitz Lisker Lizenz

Dehlitz - Wenn über Dehlitz an der Saale, seine Sehenswürdigkeiten und mit dem Ort verbundene Persönlichkeiten berichtet wird, fällt häufig der Name des (seit 1715) Reichsgrafen, Rittergutsbesitzers und Patronatsherren Johann Matthias von der Schulenburg (1661 - 1747). Diesem, einem der erfolgreichsten und bestbezahltesten Militärs seiner Zeit sowie begeisterten Kunstsammler und Mäzen, verdankt die Ortschaft an der Saale nicht nur 1737/1738 eine umfangreiche Renovierung des Kirchengebäudes mit Neubau der Orgel wie auch die Dotation des wertvollen Altarbildes des italienischen Malers Giovanni Antonio Guardi (1698 - 1760) mit der Darstellung des Letzten Abendmahls.

Miteigentümerin des Ritterguts Dehlitz war seine jüngere Schwester Ehrengard Melusine von der Schulenburg (geboren 25. Dezember 1667 in Emden bei Haldensleben). Seit 1690 stand sie am kurfürstlichen Hof in Hannover in Diensten der aus der Pfalz stammenden Kurfürstin Sophie. Hier wurde sie auch um 1691 die Mätresse des Kurprinzen Georg Ludwig, der dann 1698 zum Kurfürsten von Hannover aufstieg und von 1714 bis zu seinem Tod 1727 in Personalunion als König Georg I. auch Großbritannien und Irland regierte.

Melusine folgte ihm auf die Insel nach, wurde 1716 nach irischem und 1719 nach englischem Recht geadelt und starb unverheiratet am 10. Mai 1743 in ihrer Wahlheimat. 1723 ernannte sie Kaiser Karl V. auch zur „Fürstin von Eberstein“. Da sie eine sehr dünne Frau war, war sie in Deutschland als „Vogelscheuche“ oder „Kletterstange“ und in England als „Maibaum“ bekannt.

Drei illegitime Töchter

Aus ihrer Verbindung mit Georg Ludwig gingen drei illegitime Töchter hervor, von denen zwei offiziell als ihre Nichten und die Töchter ihrer 1697 verstorbenen Schwester Margarethe Gertrud von der Schulenburg ausgegeben wurden. Die Älteste ist Anna Louise Sophie von der Schulenburg, Hoch- und Wohlgeboren, Gräfin von Delitz/Dölitz. Sie erblickte am 11. Januar 1692 im Renaissanceschloss Hehlen im Weserbergland das Licht der Welt und heiratete in Harburg 1707 E. A. von der Bussche-Ippenburg (1681 - 1761). Die Ehe, die bis Ende 1722/Anfang 1723 bestand, blieb kinderlos.

Ihr Adelsprädikat als „Gräfin“ von Delitz/Dölitz wurde, sicherlich im Zusammenhang mit dem Übergang des Dehlitzer Ritterguts in das Eigentum der von der Schulenburgs, am 10. oder 12. Dezember 1722 in Wien ausgefertigt. Es dürfte gleichzeitig auch zur standesgemäßen Absicherung der geschiedenen Anna Louise Sophie beigetragen haben. Ob die Gräfin jemals den Ort an der Saale besucht hat, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

1721/1722 ließ der englische König Georg I. und Kurfürst von Hannover für seine Tochter Anna Louise Sophie, Gräfin von Delitz, in Herrenhausen bei Hannover das nachmals „Delitzsche Palais“ errichten. Das heute noch stehende repräsentative Fachwerkgebäude (Alte Herrenhäuser Straße 14) wechselte in den folgenden Jahrzehnten mehrfach den Besitzer und wurde durch verschiedene Adelsfamilien genutzt. 1836 kam es wieder in den Besitz der Krone, war von 1955 bis 2011 „Fürstenhaus Herrenhausen Museum“ und dient heute dem Erbprinzen Ernst August als Wohnsitz. Die (einzige) Gräfin von Dehlitz starb am 2. November 1773 in London. (mz)