Giftmüll aus Gebäudesanierung Giftmüll aus Gebäudesanierung: Schreckgespenst Styropor

Weißenfels - Für Abrissfirmen, die Bauwirtschaft, für Wohnungsunternehmen und private Hausbesitzer werden alte Styroporplatten zum Problem. Der Grund ist das dem Dämmstoff früher beigemischte Flammschutzmittel HBCD (Hexabromcyclodecan). Nach einer EU-Verordnung gelten die Platten seit Oktober als Sondermüll, da sie beim Verbrennen giftiges Brom freisetzen. Unterm Strich: Werden bei Sanierungen jene Dämmstoffe ausgebaut, müssen sie fortan von anderen Baustoffen getrennt, in Sondermüllfahrzeugen transportiert und in ausgewählten Verbrennungsanlagen entsorgt werden. Derzeit gibt es deutschlandweit nur rund 30 Anlagen, die dafür zertifiziert sind.
Die Folge: Die Preise für die Entsorgung sind explodiert. Die Dimensionen des Problems sind gigantisch. Insgesamt sind in Deutschland nach Berechnungen der Bundesregierung rund 340 Millionen Kubikmeter HBCD-behandelte Polystyroldämmung verbaut - ein Volumen, das der Größe von 136 Cheops-Pyramiden entspricht. Weil das Styropor mit der Zeit kaputtgeht und ersetzt werden muss, fallen pro Jahr 42.000 Tonnen HBCD-haltige Polystyrolabfälle an.
Wie reagieren Wohnungsunternehmen darauf?
Wie reagieren Wohnungsunternehmen darauf? Kathleen Schechowiak, Geschäftsführerin der Weißenfelser Wohnungswirtschaft, sagt es deutlich: „Wir fassen die Fassaden, in denen noch solche Dämmplatten verbaut sind, jetzt nicht mehr an.“ Da das HBCD erst beim Verbrennen das giftige Brom freisetzt, passiere nichts, wenn die Dämmung samt HBCD in den Blöcken verbliebe. Das betreffe Neubaublöcke in Süd ebenso wie in Nord. „Hier dünstet nichts aus oder riecht. Mieter kommen absolut nicht zu Schaden“, sagt die Chefin und fügt hinzu: „Die extreme Erhöhung der Entsorgungskosten wird sich mit Sicherheit auch auf die Mieten auswirken.“
Die Situation sei so gravierend, dass die Modernisierung in weiten Teilen Deutschlands zum Erliegen zu kommen droht, sagt Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbands der Wohnungswirtschaft. Der Verband vertritt rund 3 000 Gesellschaften, die rund sechs Millionen Wohnungen stellen. „Es gibt bereits Verzögerungen bei einer Reihe von Sanierungsvorhaben“, so Gedaschko. „Zudem darf nicht jedes Transportunternehmen gefährlichen Abfall bewegen.“ Die Transportwege werden länger. Spediteure mit entsprechender Lizenz könnten deshalb beim Preis richtig zuschlagen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft warnt sogar vor „dramatischen Engpässen bei der Dämmstoffentsorgung“.
Nun wird die Entsorgung nach Raummaß berechnet
Vor dem 1. Oktober wurden alte Styroporplatten bei Sanierungen einfach als Baumischabfall zur Entsorgung in Container geworfen und nach Gewicht berechnet. Etwa 120 Euro hätten Wohnungsunternehmen für eine Tonne Bauschutt zahlen müssen. Nun werde die Entsorgung nach Raummaß berechnet. Weil Styropor extrem leicht ist, treibt das den Preis um ein Vielfaches in die Höhe, meinen die Experten.
2.300 Wohnungen sind im Bestand der Wohnungsbaugenossenschaft Weißenfels. Styroporplatten würden hier anfallen, wenn die Bäder saniert würden - das sind etwa 30 im Jahr. „Wir lagern das Material gegenwärtig zwischen und hoffen auf eine Entschärfung der Gesetzeslage“, sagt der technische Leiter Thomas Walther.
Das Problem des Sondermülls steht für die Wohnbau Theißen nicht. Die Blöcke in ihrer Regie seien allesamt saniert. Dennoch versteht Vorstandsvorsitzender Frank Stützer die Vorgehensweise nicht. „Gefordert werden günstige Mieten und billigeres Bauen. In Wirklichkeit verteuert sich aber alles“, findet er. Die neue Entsorgungseinstufung trüge auch dazu bei. „Da passt doch de facto etwas nicht.“
„Wir haben das Problem nicht. Da haben wir ganz einfach Glück.“
Dem stimmt der Geschäftsführer der Hohenmölsener Wobau, Ronald Luckanus, zu. Dennoch meint er für sein Unternehmen, dass sich durch Abriss und Rückbau gerade in den letzten Jahren einen Namen gemacht hat: „Wir haben das Problem nicht. Da haben wir ganz einfach Glück.“ Gerade in diesem Jahr wurden 14 Wohnungen zurückgebaut. „Das wäre teuer geworden.“
Den jetzt hergestellten Platten könne vertraut werden, sagt Rolf Grünke. Er ist Verkaufsleiter in der Philippine GmbH in Schkopau auf dem Dow-Gelände. Das weiß und grau produzierte Dämmmaterial in 50 verschiedenen Arten könne bedenkenlos verbaut und entsorgt werden. Die Hartschaumplatten überdauern mühelos ein halbes Jahrhundert und senken den Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent. Vor zwei Jahren wurde in der Philippine GmbH die Produktion auf ein neues Flammschutzmittel umgestellt. Die Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffes habe sich damit nicht geändert. 350.000 Kubikmeter verlassen pro Jahr das Werk, dass zu den ersten fünf Produzenten dieses Materials in Deutschland gehört. (mz)