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Geplante Biogasanlage in Webau Geplante Biogasanlage in Webau: Stunk gegen Gestank

Von Petra Wozny 03.08.2014, 20:52
Zeichnung für Biogasanlage in Webau
Zeichnung für Biogasanlage in Webau MZ Satz Lizenz

Webau/MZ - Es scheint zuzugehen wie in den fiktiven spanischen Dörfern Villariba und Villabajo. Während in dem einen Ort noch gearbeitet wird, sind die Menschen im anderen Ort längst am Feiern. Hier nun die Situation im Burgenlandkreis: Während ein Milchviehbauer in Nessa eine Biogasanlage bereits bauen lässt und das offenbar keinen stört, hat sich Luftlinie fünf Kilometer entfernt in Webau gegen den Bau einer ähnlichen Anlage in diesem Dorf der aktive Widerstand formiert.

Zum zweiten Mal sind die Anhänger der Bürgerinitiative (BI) wegen des Bauwerks, dessen Investor das Mitteldeutsche Bitumenwerk ist, in der Wählitzer Erlebniskirche zusammengekommen - das Gotteshaus ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

BI-Sprecherin und CDU-Stadträtin von Hohenmölsen, Jutta Knop, bringt die interessierten Teilnehmer auf den neuesten Stand: „Mit uns kann man nicht machen, was man will. Wir haben zwar ein geplantes Bürgerbegehren abgebrochen, aber wir sammeln weiter Unterschriften und wollen unsere Einwände gegen diese geplante Anlage im Landesverwaltungsamt vorbringen.“ Rund 1 700 Unterschriften seien bereits zusammengekommen - Einwendungen der Bürger beim Landesverwaltungsamt noch keine einzige schriftliche.

„Ich habe ein Grundstück in unmittelbarer Nähe zur geplanten Vergärungsanlage - das macht mir Angst. Zu einer Beseitigung toxischer Substanzen wird geschwiegen. Wie viel Antibiotika enthalten die Restabfälle, die verarbeitet werden sollen? Kommt das dann auf die Felder? Hinzu kommt, dass ich erfahren habe, dass das Gelände, auf dem gebaut werden soll, offenbar von Altlasten gar nicht befreit ist. Kann sich das nicht auf geplante Bauarbeiten auswirken? Oberflächlichkeit bei der Entscheidungsvorbereitung wäre hier katastrophal. Ich plädiere für den Einsatz eines unabhängigen Labors. Einem betriebseigenen traue ich nicht. Die Unterlagen, die ich studiert habe, offenbaren viele Hintertüren. Biogas werten viele als eine gute Sache, ist es aber nicht.“

„Die reden es sich doch schön, weil sie Geld mit solch einer Anlage verdienen wollen. Wir wissen aber auch von Unfällen und Havarien, die sich in Biogasanlagen in Deutschland ereignet haben. Es wird stinken und es wird dadurch unsere Lebensqualität geschmälert. Doch die menschliche Seite scheint nicht zu zählen. Was wird aus der Natur und den Tieren?“

„Das gleiche Projekt lag schon für Zorbau vor. Dort wurde es abgelehnt. Hier kommt keiner her und klärt uns auf. Alles läuft nur über Mund-zu-Mund-Propaganda. Früher hatten wir die Kohle. Da haben wir die Wäsche immer entsprechend der Windrichtung rausgehängt, damit sie nicht schwarz wird. Jetzt habe ich Angst, dass ich mal nicht mehr in meinen Garten kann.“ (zny)

So rührte denn auch Gastredner Oliver Wendenkampf, Landesgeschäftsführer des BUND in Sachsen-Anhalt, kräftig die Trommel. Denn die Uhr tickt. Das Landesverwaltungsamt nimmt im angesetzten Verfahren nur noch bis zum 7. August Einwände entgegen. Die gibt es bei den Bürgern verbal zuhauf. Es sind Ängste, Zweifel, Skepsis, die Wählitzer, Granschützer und Tauchaer Bürger bewegen. Was wird in der Anlage verarbeitet? Sind es nur Magen-Darminhalte von Schweinen oder gar mehr? Wie ist die Sicherheitslage auf den Straßen? Wie erfolgt der Antransport? Was gelangt auf die Felder? Nicht alles ist aus den ausgelegten Unterlagen zum Bau der zwölf Millionen Euro teuren Anlage zu ersehen. Bei einigen Fakten stoßen die Leser an fachliche Grenzen. Der BUND kritisiert, dass die Unterlagen zur neuen Biogasanlage offenbar nicht vollständig sind. Vieles solle wohl noch nachgereicht werden. „Da kann sich ein Bürger kein objektives Bild machen. So geht das nicht“, ist von Wendenkampf zu hören. Auch Knop beurteilt die in der Verwaltung seit Wochen ausgelegten Unterlagen als schludrig.

Nun noch eine Biogasanlage

Was der Bürgerinitiative wirklich nahegeht, ist, dass die Region aus der Umweltgefahrenzone nicht herauszukommen scheint. Erst seien es Bergbau und Paraffinwerk gewesen, die die Menschen belastet haben. Nach der Wende sei in der Region eine Müllverbrennungsanlage gebaut worden, das Mitteldeutsche Bitumenwerk profilierte sich - nun noch eine Biogasanlage. „Da kommt es doch nicht mehr so drauf an, scheinen einige zu denken. So kommt es mir jedenfalls vor“, denkt Wendenkampf laut. Während die Bürgerinitiative weiter intensiv ihre Hausaufgaben macht und Einwendungen formuliert und einsammelt, lehnt sie ein Gespräch mit dem Projektplaner strikt ab.

Das hat indes der Ortschaftsrat von Granschütz gesucht und die Ortschaftsräte von Taucha und Webau an einen Tisch mit dem Planer Henner Paskarbies geführt. „Es wurden viele Zweifel ausgeräumt. Herr Paskarbies hat konstruktiv alle unsere Fragen beantwortet“, ist vom Ortsbürgermeister von Granschütz, Hilmar Geppert (parteilos), zu hören. Dem schließt sich der Ortsbürgermeister von Webau, Jürgen Reim (CDU), an. „Viele Zweifel sind bei mir jetzt zerstreut. Mehr noch“, fügt er hinzu, „es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Bürgerinitiative den Dialog nicht sucht. Ich habe den Eindruck, dass hier viel zerredet wird und dadurch Ängste geschürt werden.“

Projektleiter Henner Paskarbies bietet den Dialog an, wenn er denn „fachlich und professionell“ geführt wird, sagt er auf MZ-Anfrage. Das Gespräch mit den Ortschaftsräten sei eine „angenehme Auseinandersetzung um Inhalte“ gewesen. „70 Prozent der Argumente dieser Bürgerinitiative sind aus der Luft gegriffen“, kritisiert er und fügt hinzu: „Ich gehe nicht davon aus, ob diese Anlage gebaut wird, sondern wann.“ Und er setzt nach: „Wir bekommen keinen Persilschein. Wir haben alle Anforderungen erfüllt.“

Einwendungen können von Montag bis Mittwoch von 18 bis 20 Uhr in der Erlebniskirche abgegeben werden.