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Besser als sein Ruf Ehemalige Brauerei in Weißenfels: Alter Braugeselle erzählt über das Bier aus Weißenfels

Von Holger Zimmer 20.01.2019, 11:03
Der Bierbrauer Hellmut Sauer (rechts) und sein damaliger Chef Rüdiger Fauß.
Der Bierbrauer Hellmut Sauer (rechts) und sein damaliger Chef Rüdiger Fauß. Peter Lisker

Langendorf - Regelmäßig wird Hellmut Sauer mit Bier der Brauerei Einsiedel aus Sachsen beliefert. Dann stehen die Weißenfelser Rüdiger - einst Sauers Chef - und Sören Fauß mit einem Kleintransporter vor der Tür im Langendorfer Ortszentrum. Der 84-Jährige hat einen Partyraum, in dem kommt er oft mit Familie und Bekannten zum Feiern zusammen. Dabei ist für Sauer jeder Schluck Bier ein Fest.

Denn das Rezept mit Wasser, Gerste, Malz, Hopfen und sogar Reis stammt von ihm. So war das Bier in den 1990er Jahren in der Langendorfer Straße produziert worden und mit dem gleichen Geschmack kommt es heute aus Sachsen - vertrieben von den Fauß’.

Bierbrauer aus Langendorf erinnert sich gern an die Lehre zurück

Für Hellmut Sauer ist es stets eine Reise in die Vergangenheit. Denn er hat in der damaligen Brauerei Oettler in der Langendorfer Straße gelernt, aus der die Stadtbrauerei wurde und nach der Wende Fels-Bräu. Denkt der Langendorfer zurück, dann sprudeln die Erinnerungen förmlich aus ihm heraus.

Im zweiten Lehrjahr konnte er bereits sein erstes Bier brauen. Drei Jahre hätte er lernen sollen, doch wegen guter Leistungen konnte er seine Prüfungen bereits nach zweieinhalb Jahren machen.

1979 erhielt er dann zum 30. Betriebsjubiläum sogar die Vorderseite eines 70-Liter-Fasses mit der Aufschrift VEB Brauerei. Hergestellt worden war die Stirnseite in der Böttcherei der Brauerei, wo sein Schwager, der Zwillingsbruder seiner Frau Hannelore, gearbeitet hat.

Warum das Weißenfelser Bier viel besser war, als sein Ruf

Auf derlei außergewöhnliche Geschenke verzichtete man 1989 bei der Feier zum 40. Jahrestag der DDR im später abgebrannten „Deutschen Haus“ in Uichteritz, als die DDR in den letzten Zügen lag. Übrigens mussten Holzfässer alle zwei Jahre neu geeicht werden, damit der Inhalt stimmte, und Aluminiumfässer, die es seit den 1970er Jahren gab, sogar jedes Jahr, weil sie sich beim Auf- und Abladen leichter deformiert haben.

Hellmut Sauer sagt, dass das Weißenfelser Bier viel besser gewesen sei als sein Ruf. Da gab es Malzbier, Bock, Pilsener und Helles und zur 800-Jahr-Feier von Weißenfels die Kreationen Kopfreißer, Mummestolz und Schusterpech. Eine Einmaligkeit, nach der die Weißenfelser Schlange gestanden haben.

So penibel wurde auf die Qualität der Bieres aus Weißenfels geachtet

Für die Qualität sei auch viel getan worden. Da wurde das Wasser aus den Brunnen eine Stunde lang auf 80 Grad Celsius erhitzt, um es zu enthärten. Die Holzfässer mussten nach mehreren Füllungen gepicht, also mit Pech gereinigt werden. Aber auch Aluminiumfässer galt es, mit schwefeliger Säure zu desinfizieren und die Flaschen ordentlich auszuspülen, sonst konnte es passieren, dass das Bier trübe wurde.

Dass das dennoch öfter so war, wissen alte Weißenfelser. Ansonsten hatte es nach einer Kurzzeiterhitzung eine Haltbarkeit von bis zu drei Wochen.

Eine Kiste Bier oder Limonade gab es jede Woche für Mitarbeiter frei Haus

Gearbeitet wurde in drei Schichten und in jeder Woche bekamen alle Mitarbeiter der Brauerei eine Kiste Bier oder Limonade als sogenanntes Deputat. Diesen Haustrunk ließ sich Hellmut Sauer in einem 12,5-Liter-Fass liefern, das sein Schwager angefertigt hatte. Später arbeitete Sauer auch mal in der Brauerei Gürth in der Naumburger Straße, die um 1970 ein neues Sudhaus erhalten hatte. Er war dort zeitweilig als Obermeister in der Produktion tätig, bis hier Anfang der 1980er Jahre eine Produktionsstätte der Schuhfabrik „Banner des Friedens“ entstand.

Mit der Wende musste Sauer in den Vorruhestand gehen

1991 war Schluss für den Braumeister, mit der Getränkeproduktion insgesamt zehn Jahre später. Im Zuge der Wende wurden Arbeitsplätze abgebaut und Sauer musste mit 57 Jahren in den Vorruhestand gehen. Eine Zeit lang hat er noch Schankanlagen für Fels-Bräu gereinigt. Doch als auch damit Schluss war, widmete er sich ganz seinem Hobby: der Musik.

Zunächst hatte er in DDR-Zeiten im Tanzblasorchester Blau-Gold Posaune gespielt, ein Instrument, das er als 28-Jähriger gelernt hatte. Aber als die Kapelle aufgehört hat, stieg er bei den Leißlinger Blasmusikanten ein. Vor fünf Jahren aber stoppten ihn gesundheitliche Probleme.

Das Thema Bier lässt Helmut Sauer bis heute nicht los

Doch Bier trinkt er noch immer gern und viel erinnert in seinem Haus an seine frühere Tätigkeit. Ein Wandbild im Flur zeigt einen Bierwagen mit Pferd. Für den edlen Vierbeiner stand „Flow“ Pate, das Pferd seiner Enkelin, und unter dem Wagen sucht der Hund Enzo Schatten.

Der hat im Original aber vor dem Bild seinen Platz und lässt sich von seinem Double nicht stören. In einem der Fässer steckt ein Hahn, aus dem Sauer und seine Gäste in der schönen Jahreszeit, wenn sie im Garten sitzen, Bier zapfen können. Und im Partyraum ist eine alte Brauerei-Darstellung zu sehen. Der 84-Jährige erzählt vom dazugehörigen Schwimmbad auf dem Berg und einem Brunnen, der für Wasser aus 105 Meter Tiefe sorgte. Ein Windrad soll dabei den Strom fürs Pumpen geliefert haben.

Was Sauer ärgert? „Dass Stadtpils in keiner Weißenfelser Gaststätte zu haben ist.“ Und was ihn freut? Da muss er nicht lange überlegen: „Dass der Odin-Trunk noch immer in Drehna bei Luckenau und Doppelbock sowie Stadtpils in Einsiedel nach Weißenfelser Rezepten gebraut werden.“ (mz)

Wandbild im Flur: Brauereiwagen mit Fässern. Aus einem (echten) Fass ragt sogar ein Zapfhahn.
Wandbild im Flur: Brauereiwagen mit Fässern. Aus einem (echten) Fass ragt sogar ein Zapfhahn.
Peter Lisker
Alte Brauerei-Ansicht: Viele Gebäude gibt es schon nicht mehr.
Alte Brauerei-Ansicht: Viele Gebäude gibt es schon nicht mehr.
Peter Lisker