Interessanter Lebensweg Das ist die neue Ärztin in der Neustadt
Beatrice Gotthelf hat die Praxis von Christine Zirkenbach übernommen. Welchen interessanten Lebensweg die 41-Jährige hinter sich hat.
Weissenfels
- „Ich weiß, dass ich hier in sehr große Fußstapfen trete“, sagt Beatrice Gotthelf und schaut sich um. Die Frau hat dieser Tage die Arztpraxis für Allgemeinmedizin von Christine Zirkenbach in der Merseburger Straße in Weißenfels übernommen. Damit springt sie in dieser Woche gleich zwei Mal in das sprichwörtliche kalte Wasser: Zum einen ist sie mit dem Beginn des Betriebes der Praxis seit Dienstag das erste Mal ihre eigene Chefin und zum zweiten beginnt an diesem Mittwoch auch in ihrer Praxis das Impfen gegen Corona. „Mal sehen, wie alles anläuft“, sagt die dynamische Frau.
Einen kleinen Vorgeschmack hat sie aber schon bekommen. Die erste Lieferung an Impfstoff kam nämlich am Dienstag und an diesem Tag wurden auch gleich an 60?Patienten Impftermine für den Mittwoch vergeben. „Das war schon ein Aufwand“, sagt sie. Die Termine würden dann außerhalb der Sprechzeiten, etwa in den Pausen, abgearbeitet. Angst vor den neuen Aufgaben muss sie aber eigentlich nicht haben. Ihr Beruf führte die 41-Jährige schon weit um die Welt. „Irgendwie hat sich in meinem Leben aber immer alles ineinander gefügt“, sagt die Mutter einer kleinen Tochter.
„Und da beschloss ich, Ärztin zu werden“
Beatrice Gotthelf wuchs in Borau auf, ging am Gymnasium in Weißenfels West zur Schule. 1998 stellte sich ihr nach dem Abitur die Frage, wie es beruflich weitergehen könnte und das war gar nicht so einfach. „Es war die Zeit, in der Ausbildungsstellen sehr rar waren“, sagt sie. Daher hatte sie auch keine Chance, am Weißenfelser Krankenhaus die Lehre zur Krankenschwester zu beginnen. „Eine Freundin forderte mich auf, deshalb nach Frankfurt?(Main) zu ziehen, denn dort sah es viel besser aus“, so Beatrice Gotthelf. Tatsächlich konnte sie dort ihre gewünschte Ausbildung beginnen. Mit dem Abschluss in der Tasche wollte sie dann eigentlich wieder nach Weißenfels zurückkehren, doch selbst Arbeitsplätze für ausgebildete Krankenschwestern habe es damals nicht gegeben, erzählt sie.
„Und da beschloss ich, Ärztin zu werden, weil ich so größere Chancen sah“, sagt sie und fügt an, dass sie daraufhin zwar weiter auf der Intensivstation in Frankfurt, aber eben studienbegleitend, tätig war. In dieser Zeit bekam die junge Frau die Möglichkeit, ins südafrikanische Lesotho zu reisen und dort im Karabong Teaching Hospital im Bereich für an HIV erkrankte Kinder mitzuhelfen. Schnell habe sie dabei erfahren, dass die Aufgaben viel breiter aufgestellt waren. So half sie dort mit Anfang 30 das erste Mal einer Frau, Zwillinge auf die Welt zu bringen. „Es waren aber Totgeburten, denn die Frau war fünf Tage lang zu Fuß zum Klinikum unterwegs gewesen, und diese Strapazen waren einfach zu groß gewesen. Dieses Erlebnis werde ich nicht vergessen“, sagt Beatrice Gotthelf.
„Ich bin viel herumgekommen“
Nach einer kurzen Rückkehr nach Deutschland führte sie ihr Lebensweg anschließend weiter nach Namibia, wo sie in einer Unfallchirurgie arbeitete. Erneut zurück in Deutschland, schloss sie dann auch ihr Studium ab. Es sollte aber immer noch nicht nach Weißenfels zurückgehen, denn Beatrice Gotthelf nahm eine neue Herausforderung an und half in Brunei auf der Insel Borneo in Südostasien beim Aufbau einer neurologischen Klinik und bildete dafür die Fachkräfte aus. 2014 schließlich fand sie eine Anstellung im Carl-von-Basedow-Klinikum Merseburg, arbeitete dort in der Inneren und der Notfall- und Intensivmedizin und anschließend in einer Leipziger Praxis.
Die Arbeit in der Praxis habe sie als weniger stressig und familienfreundlicher erlebt, weil das Schichtsystem wegfällt. Außerdem habe sie weiterhin nach einer Möglichkeit gesucht, wieder in Weißenfels sesshaft zu werden. So recherchierte die Frau, welche Mediziner dort absehbar in den Ruhestand gehen könnten und so wurde sie bei Christine Zirkenbach fündig, fuhr einfach hin, stellte sich vor und die Chemie zwischen den beiden Frauen stimmte. „2019 haben wir die Übernahme mit einem Handschlag besiegelt“, erzählt die Rückkehrerin, die mittlerweile in einem Haus auf dem Klemmberg heimisch geworden ist. „Ich bin viel herumgekommen, habe viel erlebt und freue mich einfach, wieder in Weißenfels zu wohnen.“ Ihren Ausgleich zur Arbeit findet sie beim Fahrrad fahren, bei Gartenarbeit und bei ihrer Tochter.
In ihrer Praxis wird Beatrice Gotthelf - wie jeder Hausarzt im Burgenlandkreis - um die 1.000?Patienten pro Quartal betreuen. Sie freut sich auf die neue Aufgabe. Der Unterstützung ihrer beiden Arzthelferinnen, die sie übernommen hat, ist sie sich sicher. „Wir verstehen uns gut.“ (mz/Andrea Hamann-Richter)