Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Zufrieden im Ernst des Lebens
GRANSCHÜTZ/MZ. - Sebastian Hartungs Geschichte ist eine mit vielversprechendem Ausgang - oder vielmehr: Anfang. Der 20-Jährige steht vor einem eingerüsteten Mehrfamilienhaus in Granschütz und behält die Ruhe, obwohl sich eine Menge Leute seinetwegen versammelt haben, unter ihnen sein neuer Chef, Verantwortliche aus dem Jobcenter Burgenlandkreis und die wahrscheinlich erste Pressevertreterin, mit der er spricht.
Praktische Arbeit liegt ihm
Der 20-Jährige macht seine Sache gut. Anne Sängerlaub von der FAA Bildungsgesellschaft mbH Südost, kennt den Hohenmölsener recht gut, sie sagt, er sei ganz schön nervös. Das heißt bei Sebastian Hartung: Er hört aufmerksam zu, wartet, bis jemand Fragen an ihn richtet und antwortet dann knapp und ehrlich; genauso, wie man es sich als Pressevertreter im besten Fall erhofft: Dass er früher den Ernst des Lebens nicht erkannt habe und statt die Schulbank zu drücken, lieber ausgegangen sei, erzählt er. "Ich habe alles nicht abgeschlossen, weil ich immer geschwänzt habe." Es klingt einsichtig, man hört, er spricht über etwas, das hinter ihm liegt.
Eine lange Phase des Suchens und Aufgebens, die nach der siebten Klasse begann. Da sollte es ins Berufsvorbereitende Jahr gehen, das er nicht geschafft hat. Doch in Deutschland gibt es institutionelle Sicherheitsnetze, die das Herausfallen aus dem Bildungssystem verhindern sollen: Hartung erhielt eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Doch wieder kein Erfolg: 2009 gab er ohne Abschluss auf. Über die Arbeitsagentur kam er in eine "Aktivierungshilfe für Jüngere" bei der FAA Bildungsgesellschaft. Die setzt noch niedriger an, soll zu Arbeitsaufnahme, Schulabschluss oder Ausbildungsstart bringen. Bei Hartung verfehlte sie ihr Ziel, er gab wieder auf.
Es lag nicht an der praktischen Arbeit. Jeder Arbeitgeber, bei dem er ein Praktikum machte, habe ihn gelobt, sagt Anne Sängerlaub. Beispielsweise die Kfz-Werkstatt, wo er sich am liebsten gesehen hätte. Allein: Kfz-Mechaniker kann nur werden, wer mindestens einen Hauptschulabschluss vorweisen kann.
War Hartungs Geschichte bis dahin traurig und ärgerlich, änderte sich nach der letzten Flucht etwas Grundsätzliches. Etwas in ihm, an seiner Einstellung, so dass er im April einen neuen Anlauf beim gleichen Bildungsträger nahm. Er wolle eine Ausbildung machen und zwar dort, wo es mit seinen Voraussetzungen möglich ist.
Für den Sinneswandel kam einiges zusammen: Er sagt, seine Mutter und seine Geschwister hätten immer wieder auf ihn eingeredet, er solle sich etwas suchen und dranbleiben. Lange habe das nicht gefruchtet, erst vor kurzem verstand er sie. Ein anderer Impuls war eher schmerzhaft. Er erzählt: "Viele haben gesagt: Das wird nichts. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen."
Für die Ausbildung zum Baufacharbeiter braucht man keinen Hauptschulabschluss, also probierte es Sebastian Hartung bei der Hohenmölsener Firma Petermann Bau. Inhaber Ingo Petermann ist Geschäftsmann, er hat 18 Angestellte, er kann sich mit seinem kleinen Betrieb nicht leisten, jemand Ungeeigneten durchzubringen. Dass er Hartung einen Ausbildungsplatz anbietet, ist Beweis seines Glaubens an den Jungen: "Ich hätte ihm die Ausbildung nicht angeboten, wenn der Vorarbeiter nicht gesagt hätte, er sei gut."
Hartung macht den Führerschein
Seit September fährt Hartung mit seinem Rad an die verschiedenen Baustellen, die Petermann im Umkreis betreibt. Einen Führerschein hat er noch nicht, aber auch den macht er gerade. Auf den Baustellen rührt er derzeit den Mörtel an, was einfacher klingt, als es ist, reagiert doch jeder Sack Mörtel anders, wie Chef Petermann bestätigt. Der Neue erledigt vor allem Zuarbeiten, aber er hat auch schon beim Verputzen geholfen.
Die Praxis war nie sein Problem, aber die Schulbank. Um die kommt er aber auch als Azubi zum Baufacharbeiter nicht herum. Mathe sei sein hauptsächliches Problem, sagt er. Aber Hartung ist jetzt zuversichtlich. Er kenne Menschen, die mit den Zahlen besser klarkommen, er werde seine Chance ergreifen und - das Schwierigste: "Dieses Mal werde ich mich hinsetzen."