Ausbildung im Burgenlandkreis Ausbildung im Burgenlandkreis: Handwerk gehen die Azubis aus

Weißenfels - Das Sprichwort ,Handwerk hat goldenen Boden’ könnte im Burgenlandkreis wahrscheinlich bald der Vergangenheit angehören. In der Bäckerbranche beispielsweise hatte sich weder im vergangenen Jahr noch derzeit ein Schüler laut Berufsschule Burgenlandkreis dafür interessiert. Bei der Arbeitsagentur Weißenfels gibt es einen „Hitliste“ der beliebtesten und der unbeliebtesten Ausbildungsberufe. Daran sieht man, es sind beileibe nicht bloß die Bäcker, denen die Azubis ausgehen.
Ähnlich Sorgen gibt es bei den Köchen, Friseuren, Fliesenlegern oder bei den Landwirten und Straßenbauern sowie bei den Fleischern. Hier liegen so gut wie keine Anmeldungen für eine Ausbildung vor. Auf weitere Bewerber wartet auch sehnsüchtig die Handwerkskammer in Halle. Von Zeitz bis Zerbst wurden bis Ende September 1 120 Berufsausbildungsverträge unterschrieben, rund 500 sind allerdings noch offen.
Händeringend sucht beispielsweise Andreas Pauli einen Koch. „Es hat sich leider keiner beworben“, sagt der Inhaber vom Parkrestaurant in Lützen. Woran das konkret liege, sei ihm unklar. Vielleicht seien es die Arbeitszeiten, dazu gehöre auch das Wochenende. Er habe sich sogar bemüht, einen Lehrling aus Spanien einzustellen, was aber nicht geklappt habe. Weil ihm Personal fehlt bleibe ihm nur, mehr Ruhetage einzulegen. Denn die vorhandenen Arbeitskräfte dürften auf keinen Fall „verheizt“ werden.
Eine Ursache, dass es junge Leute nicht zum Handwerk drängt, sieht Frank Hoffmann darin, dass viele mit falschen Vorstellungen die Lehre beginnen. Ein Drittel von ihnen breche daher die Lehre ab, sagt der Berufsberater der Agentur für Arbeit. „Die Schulabgänger müssen besser beraten werden“, ist sich Hoffmann sicher. Es gebe gut 500 Ausbildungsberufe in Deutschland, aber viel zu viele Schüler würden sich auf zwei oder drei Berufe konzentrieren. „Oftmals ist bei den jungen Leuten Wunschdenken im Spiel“, fügt er hinzu.
Die Friseurmeister Christoph Lenz und Rico Thöricht vom Weißenfelser Geschäft HaarRiCh sprechen von einem Überangebot an Lehrstellen. Das könnte erklären, warum viele junge Leute dem Handwerk fern bleiben. Auszubildender Karl Land aus der Saalestadt, er ist im zweiten Lehrjahr und möchte Friseur werden, glaubt hingegen, dass der angeblich geringe Lohn ein Grund sei, warum es so wenige Friseurlehrlinge gebe. „Man wird nicht Millionär, aber man kann davon leben“, erklärt der 19-Jährige. Es sei schwierig, den passenden Lehrling zu finden, sagt auch Fliesenlegermeister Thomas Schlegel aus Saubach. Am Verdienst könne es nicht liegen. Er würde gern einen Lehrling ausbilden, aber es habe sich keiner beworben.
Keine Bewerbungen liegen auch Eveline Peters von der Fleisch- und Wurstwaren GmbH in Naumburg vor. Sie würde gern Fleischer ausbilden, aber schon seit zwei Jahren habe sich niemand gemeldet, ergänzt die Geschäftsführerin. Als Grund würden ihr Schüler sagen, dass sie die Anfangszeiten stören - 5 Uhr ist Arbeitsbeginn. Da bereits zwei Stunden später die Frischwaren in den Geschäften bereitliegen müssen, lasse sich das anders gar nicht lösen. Vor Jahren sei noch um 3 Uhr angefangen worden, aber das sei ganz und gar abgelehnt worden.
Doch es geht auch anders, allerdings in den großen Unternehmen: „In unseren Fleischbetrieben in Heilbronn, Möckmühl, Osterfeld und Heilbad Heiligenstadt bilden wir derzeit 38 Fleischer aus“, erklärt Andrea Kübler von der Kaufland Dienstleistung GmbH in Neckarsulm. Je Betrieb gäbe es einen freigestellten Ausbilder sowie jeweils einen Ausbildungsbeauftragten in jedem Ausbildungsbereich. Ein ähnliches Bild bietet sich in der Großbäckerei in Rüssen-Kleinstorkwitz (nahe Profen). Dort erhalten derzeit fünf Bäcker und zwei Konditoren eine Ausbildung.
Doch das nützt dem Handwerk wiederum relativ wenig. „Die Ausbildungssituation im Handwerk ist in den neuen Bundesländern überall angespannt“, erklärt Jens Schumann, Fachbereichsleiter Handwerkspolitik bei der Handwerkskammer Halle. Ursache sei zum einen die demografische Lücke, die die Zahl der Schulabgänger halbiert habe, und zum anderen eine aus Sicht des Handwerks falsche Schulpolitik.
Da in den Augen breiter Teile der Bevölkerung ein Abitur mit anschließendem Studium anscheinend bessere Lebensperspektiven bietet, würden sehr viele Schüler zum Gymnasium gehen, selbst wenn ihr Leistungspotenzial dafür nicht ausreiche. Im Handwerk würden Auszubildende aber dringend gesucht. Nicht nur als Fachkräfte, sondern mittelfristig auch als Nachfolger für die Unternehmer. Und da hätten Abiturienten sehr gute Chancen, so Jens Schumann. (mz)