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90 Jahre altes Kochbuch 90 Jahre altes Kochbuch: So gelingen Plätzchen nach Mutters Rezept

Von Andreas Richter 21.12.2019, 11:00
Über Jahrzehnte hinweg aufbewahrt: Anni Schubert mit dem etwa 90 Jahre alten Kochbuch ihrer Mutter.
Über Jahrzehnte hinweg aufbewahrt: Anni Schubert mit dem etwa 90 Jahre alten Kochbuch ihrer Mutter. Peter Lisker

Weißenfels - Das alte Rezeptbuch. Fein säuberlich stehen die Zutaten in alter deutscher Schrift auf vergilbtem Papier: für eingelegte Fleischrüben, Erdäpfeltaschen, Birnenkompott oder Peuschel, ein Ragout aus Lunge und anderen Innereien. „Meine Mutter hat mir das Buch mit überlieferten Rezepten vererbt“, erzählt Anni Schubert und blättert vorsichtig in der 90 Jahre alten Kostbarkeit.

Heute ist Anni Schubert 84 Jahre alt und lebt in Weißenfels-West. Ihre Wurzeln aber hat sie im Sudetenland. Die ersten elf Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Ober-Lipka, dem heutigen Horni Lipka im tschechischen Adlergebirge. Dort wuchs sie zusammen mit zwei Brüdern auf. „Wir hatten einen größeren Hof auf dem Lande. Da haben alle mit zugepackt“, erzählt sie. In der Woche hat die Großmutter gekocht, sonntags gab’s ein Fleischgericht von der Mutter.

Nach dem Krieg, der Vater ist 1941 gefallen, teilte das junge Mädchen das Schicksal vieler Deutscher im Sudetenland: Sie wurde mit ihrer Familie vertrieben. „Wir waren etliche Tage im Viehwagen unterwegs. Wie lange, das weiß ich nicht mehr“, erzählt Anni Schubert. Und mit bebender Stimme fügt sie hinzu: „Eigentlich wollte uns damals niemand haben.“ Nach einer mehrwöchigen Odyssee landete die Familie schließlich auf der Neuenburg in Freyburg. Von dort wurden die Flüchtlinge auf die Region aufgeteilt. Für Anni Schubert, ihre beiden Brüder, Mutter und Großmutter ging es mit dem Pferdewagen nach Nellschütz. „Wir haben dort dann mit fünf Personen in zwei kleinen Zimmern gewohnt“, erinnert sich die heute 84-Jährige.

40 Jahre lang hat Anni Schubert später in der Schuhindustrie in Weißenfels gearbeitet. Ihre Wege führten sie von Nellschütz nach Weißenfels. Zusammen mit ihrem Mann wohnte sie dort zunächst an einem interessanten Ort: Just in jenem Gebäude in der Hohen Straße, in dem sich früher eine der vielen Weißenfelser Gaststätten, die sogenannte „Jacke“, befand. Seit 1965, mittlerweile also seit 54 Jahren, wohnt Anni Schneider in Weißenfels-West.

Die Erinnerung an ihre Kindheit hält sie bis heute wach. In der Kreisgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft treffen sie sich regelmäßig, so auch jetzt zur Weihnachtszeit. „Ich fühle mich in der Gruppe gut aufgehoben“, sagt Anni Schneider, die seit 20 Jahren allein lebt. Vor fünf Jahren hat sie zum letzten Mal die Orte ihrer Kindheit im Adlergebirge besucht.

Jetzt in der Weihnachtszeit holt sie auch das alte Rezeptbuch mal wieder raus, das alle Reisen ihres Lebens mitgemacht hat. Viele Rezepte hat ihre Mutter noch einmal in einem extra Heft fein säuberlich aufgeschrieben. Damit die Generationen nach ihr sie auch noch lesen können. So auch den gefüllten Linzer Teig mit Rumeis. „Die Plätzchen hat meine Mutter gern gebacken“, erzählt Anni Schubert. Heute freut sich der Enkel auf das Naschwerk mit den bunten Streuseln. An den Feiertagen kommt der Enkel vom fernen Bodensee mit Frau und Hund zur Großmutter nach Weißenfels. Dann steht auch ein Kartoffelsalat auf der Speisekarte, mit Apfel, saurer Gurke, Fleischsalat und gekochtem Ei. Dazu wird traditionell Fisch gereicht. „Schon bei meiner Mutter gab es immer Fisch dazu“, erinnert sich Anni Schubert. (mz)