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Zahnärztin in Sangerhausen Zahnärztin in Sangerhausen: Fachärztin Liane Voigt übergibt ihre Praxisschlüssel

Von Beate LIndner 23.12.2014, 08:21
Dr. Liane Voigt hängt heute den Bohrer an den Nagel - mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Dr. Liane Voigt hängt heute den Bohrer an den Nagel - mit einem lachenden und einem weinenden Auge. M. Schumann Lizenz

Sangerhausen - Wenn Liane Voigt am heutigen Dienstag zum letzten Mal einen Patienten aus dem Behandlungszimmer verabschiedet, hat sie 13 992 Tage als Zahnärztin in Sangerhausen gearbeitet. Obwohl dies anfangs gar nicht ihr Traumberuf war, hat sie ihn immer gern ausgeübt. Unzählige Patienten könnten das bestätigen. Die promovierte Expertin für gesunde Zähne hält ihrer Praxis im Ärztehaus Südwest künftig die Treue. Als Patientin. Denn auch Zahnärzte gehen natürlich zum Zahnarzt. Liane Voigt wird das bei ihrer Nachfolgerin Alexandra Zyrus tun. Sie arbeitet schon seit etwa anderthalb Jahren mit im Team von Dr. Voigt.

Seit 1963 sind über 3 000 Wohnungen in Plattenbauweise im Stadtteil Südwest entstanden. Gebaut wurden außerdem Schulen, Kindereinrichtungen, eine Kaufhalle, eine Gaststätte, eine Poliklinik, Altersheime sowie ein Dienstleistungszentrum. Nach der politischen Wende 1990 haben die beiden großen Vermieter erhebliche Mittel in die Sanierung der Blöcke investiert. Mittlerweile sind einige Teile der Südwest-Siedlung abgerissen oder umgestaltet worden. Dem Bagger fiel beispielsweise die Juri-Gagarin-Schule zum Opfer. 1969 wurde die Schule eröffnet und war bis zur Wende Polytechnische Oberschule.

Körperlich schwerer Beruf

Eigentlich wollte Liane Voigt Sprachen studieren. Aber sie hat davon Abstand genommen, weil spätere Einsatzmöglichkeiten doch stark beschränkt waren.

So ging sie während der Schulzeit weiter auf Berufssuche und landete ziemlich schnell bei der Zahnmedizin. Gleich in der ersten Vorlesung ihres Studiums erfuhr sie vom Professor eine Wahrheit über diesen Beruf. Nämlich, dass sie sich nach dem Bergmann den körperlich zweitschwersten Beruf ausgesucht habe. „Mit dieser Einschätzung lag der Professor eigentlich ganz richtig. Die andauernde ungesunde Körperhaltung hat ihre Spuren hinterlassen.“

Und weil Liane Voigt landläufig mit „klein und zierlich“ durchgeht, liegt diese Frage auf der Hand: Wie war das, wenn ein Hüne von einem Mann mit schlotternden Knien auf dem Stuhl saß und beispielsweise ein Zahn zu ziehen war? - Dann wurde er gezogen, und wenn sich Liane Voigt dafür auf die Fußbank stellen musste. Dass mit der Angst vorm Zahnarzt ist aber so eine Sache. „Zahnärzte haben Angst vor Angstpatienten.“ Liane Voigt hat stets versucht, dieser Patientenangst mit Verständnis, Ehrlichkeit und Humor zu begegnen. Damit ist sie in der Rückschau immer noch am besten gefahren.

Und zu dieser Ehrlichkeit gehört gewissermaßen auch, dass Liane Voigt kein Geheimnis aus ihrem „Zahnarzt-Verhältnis“ macht. „Ich bin selbst auch nicht sehr glücklich, wenn ich auf dem Stuhl sitze.“ Ein kleiner Rückblick: Am 1. September 1976 begann Liane Voigt als Zahnärztin im Stadtambulatorium Mitte am Markt 17.

„Ich hatte damals gleich ein volles Bestellbuch, weil ich die Patienten meines Vorgängers übernommen habe, der nach dem Westen abgehauen war. Ich weiß sogar noch den Namen meines ersten Patienten.“

Gravierende Veränderungen im Gesundheitswesen

Bis März 1991 arbeitete Dr. Voigt am Markt. Der Umbruch in der DDR hatte auch gravierende Veränderungen im Gesundheitswesen zur Folge. Für Liane Voigt sah das dann so aus, dass sie ab 1. April 1991 beruflich selbstständig war - zunächst noch am Markt 17 bis zum Umzug in die eigenen, umgebauten Praxisräume im ehemaligen Stadtambulatorium Südwest, heute Ärztehaus Südwest im April 1992. Im Laufe ihres Berufslebens hat Dr. Voigt drei Patientengenerationen betreut, ver- und umsorgt. „Für diese Treue möchte ich mich bei meinen Patienten bedanken.“

Ganz besonders gern hat sie sich um die Jüngsten gekümmert. Zu DDR-Zeiten hatte jeder Zahnarzt einen Kindergarten in seiner Obhut. Liane Voigt betreute den Kindergarten am Schartweg. Einige kleine Patienten von damals haben ihr bis heute die Treue gehalten.

Rückblickend gibt es noch etwas, das sich sehr verändert beziehungsweise rasant weiterentwickelt hat. Die Zahntechnik. „Gefühlt sind wir heute 200 Jahre weiter als vor 30 Jahren.“

Wie es am 1. September 1976 ihren ersten Patienten gab, wird es natürlich auch den letzten Patienten geben, den Liane Voigt behandelt. Wer das sein wird, ist offen. Bestellte Patienten hat es nur noch gestern gegeben.

Wer darüber hinaus noch als Schmerzpatient heute zum letzten Sprechtag kommen wird, bleibt Überraschung. Weggeschickt wird natürlich niemand, auch wenn es Liane Voigt vor diesen letzten beiden Praxistagen schon ein bisschen bange war.

Wie so oft im Leben hat auch diese Medaille ihre zwei Seiten beziehungsweise gibt es das berühmte lachende und das weinende Auge. Natürlich kann man 38 Berufsjahre nicht so mir nichts dir nichts beiseiteschieben.

Andererseits freut sie sich auf mehr Zeit in der Familie, auf das Oma-Sein, den Garten und aufs Reisen. Eine vierwöchige Sprachreise nach England ist schon gebucht. Sprachreise? Nun also doch die Sprachen. Manche Dinge brauchen eben ein bisschen Zeit. (mz)