Wimmelburg Wimmelburg: Jahrgang 38 und kein bisschen leise
Wimmelburg/MZ. - Da ist sie schon ein bisschen verlegen gewesen, die einstige Wimmelburger Volksschullehrerin Ilse Muck. Denn es war einer ihrer Schüler, der Günter Peukert, der ihr am Samstag galant die Hand küsste und zum 80. Geburtstag gratulierte. Und die ganze Klasse hat gejubelt. Neben einem riesigen Blumenstrauß bekam die Lehrerin ein gerahmtes Bild mit den Unterschriften ihrer Schüler. "Kinder, ich bin gerührt", sagte Frau Muck.
Es hat immerhin 25 Jahre gebraucht, ehe sie alle - fast alle - wieder in so trauter Runde wie einst zusammen gekommen sind. Zum Klassentreffen der 32 Mädchen und Jungen, die 1944 in Wimmelburg eingeschult worden waren. Beinahe wäre das mit dem Zusammensein in der Gaststätte "Hirsch" gar nichts geworden, erzählt Karla Kretschmann. Nur noch vier Ehemalige wohnen in Wimmelburg, die anderen hat es in alle Himmelsrichtungen verschlagen. "Finden Sie die mal", sagt Eberhard Tauche und schmunzelt. Man habe alle Register gezogen. Kirchenbücher sind gewälzt, Verwandte und Bekannte, ja sogar die Polizei ist gefragt worden. Tauche hat in den Bemühungen ebenso wenig locker gelassen wie seine Mitstreiter aus dem Festkomitee Ilse Horn, Annerose Töpert, Marlies Schlanstedt, Karla Kretschmann und Günter Peukert. Und schließlich hatten sie 32 Mitschülerinnen und Mitschüler gefunden und nach Wimmelburg eingeladen.
Sie sind alle Jahrgang 1938 - und kein bisschen leise. Nach der Goldenen Konfirmation in der Kirche Wimmelburg, bei der sie gemeinsam mit dem Pfarrer auch jener elf Mitschüler gedachten, die bereits verstorben sind, trudeln sie langsam ein im Lokal. Die kleine, humorvolle Festrede von Günter Peukert wird mehrmals von einem lauten "seid mal leise" unterbrochen, und es fällt dem Gast nicht schwer, sich das muntere Völkchen ein paar Jährchen jünger in einem spartansich eingerichteten Klassenzimmer vorzustellen.
Und an diese Zeit, das letzte Kriegsjahr, erinnert Peukert denn auch. An die Angst beim Fliegeralarm, das Rennen nach Hause, die Sorge, ob die Schule denn morgen noch steht. Nach Kriegsende ist es eng geworden, sagt Peukert. Die Umsiedlerkindler kamen dazu. Und ein Neu-Lehrer. "Der hatte ein besonders weiches Herz", erzählt Tauche. Immer, wenn es mal eine schlechte Zensur gab, musste man nur richtig heulen und betteln, dann hat er sie einfach ein bisschen verbessert. Aus Mitleid mit den Mädchen und Jungen.
Besonders ins Herz geschlossen haben die "38-er" aber ihre Frau Muck, ehemals Fräulein Dittmann. "Wir merkten schnell, dass der Lehrer Alfred Muck sie ziemlich gern hatte", plaudern die Schülerinnen aus dem Nähkästchen. Gefreut haben sich alle über den Nachwuchs im Hause Muck. "Den kleinen Muck, der eine Tochter war", sagt eine Schülerin.
Inzwischen hat Günter Peukert seine kleine Rede fast beendet. Der Mann hat Entertainer-Talent. Er stellt rasch noch den "Heino des Mansfelder Landes" vor, Ehemann einer Schülerin, der selbstverständlich kostenlos für die richtige Tanzmusik sorgen werde. Und Günter Peukert setzt sich nicht, ohne zu erinnern, "das nächste Treffen ist in fünf Jahren" und alle zu ermahnen: "Redet heute ja nicht über eure Krankheiten."
Ilse Muck rückt für das gerahmte Bild die Kaffeetasse beiseite. Ihre Freude ist groß: Das bunte Foto zeigt ihre Schule in Wimmelburg.