Syrien, Allstedt, Sangerhausen Wie Muhammad Ali beim Schülertheater zum Helfer hinter den Kulissen wurde
Das Weihnachtsmusical „Magische Welten“ begeistert in dieser Woche am Scholl-Gymnasium in Sangerhausen das Publikum. Die Schüler haben einen stillen Unterstützer an der Nähmaschine.
Sangerhausen/MZ. - Wem in dieser Woche ganze Pilgergruppen von Kindergartenkindern und Grundschülern im Stadtbild von Sangerhausen aufgefallen sind, der sollte sich nicht wundern. Denn am Scholl-Gymnasium läuft seit Montag wieder die große Theaterwoche.
Zweimal am Tag ist dort in der Aula das diesjährige Weihnachtsmusical „Magische Welten“ zu erleben. Und dafür mieten sich inzwischen sogar schon Grundschulen im Harz einen Bus, um mit ihren Schülern in Sangerhausen dabei zu sein.
Die Kinder fiebern mit bei der Geschichte um das Elfenreich und den benachbarten Dunklen Wald, um schöne Elbenprinzessinnen, einen schicken Prinzen, einen finsteren Herrscher und eine wundersame Zuckerfee, die mit ihrem Zaubertrank für Aufregung sorgt.
Unverhoffte Hilfe: Vater einer Darstellerin setzt sich an die Nähmaschine
An die hundert Gymnasiasten wirken wieder an dem Stück mit. Neben den jungen Darstellern der Theatergruppe „Drams ’n Roses“ sorgt der Juniorchor für Musikeinlagen, Tänzer und Akrobaten treiben mit ihren teilweise schwindelerregenden Einlagen die Erzählung voran und auch die Licht- und Tontechnik und der Kulissenbau liegen in den Händen von Schülern.
Unverhoffte Hilfe hat die Theatertruppe unterdessen im vergangenen Jahr in ihrem Kostümfundus bekommen: Mohammad Ali hatte eigentlich nur seine Tochter Rusel aus Allstedt zu den Proben gebracht. Als an dem einen oder anderen Kostüm Anpassungen nötig waren, stellte sich heraus: Ali kann das. Der 45-jährige Syrer, der im November 2015 mit Frau und Tochter nach Deutschland kam, hatte nach seinem Schulabschluss in Aleppo bei einem Schneider angefangen und dort das Nähen gelernt – zunächst nur mit Nadel und Faden. „Nach einem Jahr durfte ich an die Maschine, nach zwei Jahren an die richtig gute Nähmaschine“, erzählt er.
In Deutschland arbeitet der Näher in der Gastronomie
Nach dem Armeedienst arbeitete Ali als Näher in einer Firma im Libanon, kehrte dann 2005 nach Syrien zurück, gründete eine Familie und machte sich mit einer eigenen kleinen Firma selbstständig. Den Zuschnitt hat er sich in dieser Zeit selbst beigebracht.
Wegen des Krieges hat die Familie Syrien verlassen. Nach Jahren in der Türkei, wo Ali in einer großen Textilfabrik nähte, kamen sie 2015 nach Deutschland und fanden in Allstedt ein Zuhause. In seinem Beruf indes hatte der Syrer hier keine Chance auf einen Job. Seit 2016 arbeitet er in der Gastronomie, aktuell in der Pizzeria „Mamma Mia“ in Sangerhausen.
Zwei seiner drei Kinder lernen am Scholl-Gymnasium, seine Tochter Rusel macht seit drei Jahren in der Theatergruppe mit. Und mit Ali hat die Truppe nun jemanden gefunden, der die zahllosen Kleidungsstücke aus dem riesigen Fundus für jedes neue Stück passend machen kann. Kürzen, Abnäher anbringen, Länge oder Weite wieder herauslassen oder auch mal kleine Schäden ausbessern – unter seinen Händen geht das ruckzuck.
Die Arbeit am der weißen Singer-Nähmaschine im Theaterkeller macht ihm Spaß. „Wirklich, ich bin hier sehr zufrieden. Das ist ja mein richtiger Beruf“, sagt er mit einem Strahlen im Gesicht.
Für „Magische Welten“ folgen am Freitag nun die Vorstellungen Nummer neun und zehn. Und am Sonntag werden drei öffentliche Aufführungen gezeigt, die beim Start des Online-Reservierungsprogramms innerhalb eines Tages komplett ausgebucht waren. Das Publikum indes kann sich neben Spielkunst und Musik auch an den zauberhaften Kostümen erfreuen, an denen Mohammad Ali seinen Anteil hat.