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Weihnachten 1947 in Oberröblingen Weihnachten 1947 in Oberröblingen: Erinnerungen an Heiligabend vor 69 Jahren

Von Heinz Noack 12.12.2016, 17:00
Ortschronist Hartmut Müller lässt sich von Edelgard Ulle die alten Kinderbilder zeigen.
Ortschronist Hartmut Müller lässt sich von Edelgard Ulle die alten Kinderbilder zeigen. Heinz Noack

Oberröblingen - Unter dem Titel „Weihnachten 1947… eine erlebte kleine Weihnachtsgeschichte“ hält Winfried Holzlehner (77) aus Güstrow einen Rückblick auf seine Kindheitsjahre der Nachkriegszeit in Oberröblingen/Helme.

Kurz vor Weihnachten 1947 erkrankte seine achtjährige Zwillingsschwester Edelgard schwer und musste nach Sangerhausen ins Krankenhaus. Am Heiligen Abend durfte sie zur freudigen Überraschung ihrer Mutti Emilie wieder nach Hause. Leicht war es nicht, die aus heutiger Sicht „paar Kilometer“ zu bewältigen.

Mit dem Schlitten von Sangerhausen nach Öberröblingen

„Die Zugverbindung am Nachmittag war sehr ungünstig“, schreibt Holzlehner. „Den Weg zum Bahnhof konnte man Edelgard noch nicht zumuten.“ Es sei sehr kalt gewesen, und es habe hoher Schnee gelegen. So entschied sich Mutti Emilie für den Schlitten. Den stellte ihnen Familie Saworra in der Magdeburger Straße zur Verfügung. Edelgard wurde eingemummelt und auf den Schlitten gesetzt. Gemeinsam machte man sich auf den Weg. Vor ihnen lag der steile Brauereiberg in Richtung Oberröblingen. Da entdeckten sie einen Lkw, der in die gleiche Richtung fuhr.

„Die Mutti hob den Arm, um ihn anzuhalten“, erinnert sich Edelgard Ulle, geborene Holzlehner, noch heute. „Der Lkw hielt auch, aber es war ein sowjetisches Armeefahrzeug auf dem Weg zum Militärstandort Allstedt.“

Emilie Holzlehner war entschlossen mitzufahren, trotz der Skepsis ihrer Cousine Saworra. Ein Offizier stieg aus und man verständigte sich. „Meine Mutti sprach Masurisch“, erinnert sich Ulle. „Kinderfreundlich, wie die Russen sind, hat er sich auch sofort bereit erklärt, Mutti und mich bis nach Hause zu fahren. Wir wohnten damals gegenüber dem Ratskeller, im Grundstück Eckstein.“

Zu Hause war die Überraschung sehr groß. Die Familie freute sich über den guten Ausgang, es war schließlich Weihnachten und alle wieder vereint. Papa Otto Holzlehner hatte eine Puppenstube für die kleine Tochter gebaut. „Ich habe mich sehr darüber gefreut“, erinnert sich Edelgard Ulle. Einen Weihnachtsbaum gab es auch, nur fehlte der Tannenbaumschmuck. „Er war ja nun wirklich das Unwichtigste, woran man beim Aufbruch zur Flucht dachte“, schreibt Winfried Holzlehner.

Weihnachtsdeko für den Baum wurde von Kindern gebastelt

„Es gab 1947 kaum etwas zu kaufen. Weihnachtsbaumkugeln und Lametta schon gar nicht.“ Kerzenhalter für den Baum hatte Frau Holzlehner besorgt. Sie wusste auch, wie in ihrer Kindheit der Weihnachtsbaum geschmückt wurde. Das war eine Beschäftigung für die Kinder. Dazu schnitten sie Strohhalme in kleine, etwa zwei Zentimeter lange Stücke. Diese wurden mit einer Nadel aufgefädelt und zwischen die Strohstückchen kam eine kleine Scheibe Buntpapier, mal rund, mal eckig. Wer hatte, nahm auch Perlen oder Knöpfe.

So bastelten die Kinder eine rund sechs Meter lange Kette. Dazu hängte man noch aus Haferstroh gerollte und mit Zwirn umwickelte Kugeln auf. „Sie glänzten goldig im Kerzenlicht“, so Winfried Holzlehner. „Auch die selbst gebackenen und mit Zuckerguss verzierten Lebkuchen bekamen einen Platz am Weihnachtsbaum. Die letzte Zutat für den Schmuck waren dann noch aus Pappe ausgeschnittene und mit Buntpapier beklebte Sterne aller Größen. So wurde aus jedem grünen Baum mit wenig Aufwand ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum.“

Solche und ähnliche Geschichten haben sich in den Nachkriegsjahren sicher viele in der Goldenen Aue und am Südharz zugetragen. Große Geschenke und einen herausgeputzten Tannenbaum konnten sich damals die wenigsten Familien leisten.

Die Holzlehners gehören zu den Flüchtlingen, die im Jahre 1945 in Oberröblingen eine neue Heimat gefunden hatten. Sie waren 1944 wegen des Krieges aus Stradaunen (Straduny) in den Masuren nach Mitteldeutschland übergesiedelt. (mz)

Das Bild zeigt Edelgard Ulle und ihren Zwillingsbruder Winfried im Alter von fünf Jahren.
Das Bild zeigt Edelgard Ulle und ihren Zwillingsbruder Winfried im Alter von fünf Jahren.
Repro/Noack