Verunsicherung Verunsicherung: "Mangelhaft" oder "sehr gut"? Wirrwarr ums Wasser im Stausee Kelbra

Kelbra - Doris Gustke zögert kurz und nimmt vorsichtig einen Schluck vom heißen Frühstückskaffee. Dabei wandert ihr Blick über den Campingplatz am Stausee Kelbra. „Es ist nicht nur idyllisch hier, auch die Region hat viel zu bieten“, sagt die Baden-Württembergerin.
Ehemann Michael nickt. Die Pensionäre haben auf der Heimreise ins „Ländle“ mit dem Wohnmobil für zwei Tage Station am Fuße des Kyffhäuser gemacht und die Gegend mit den Fahrrädern erkundet. Dass vom Baden im Stausee abgeraten wird, davon haben die beiden noch nichts gehört.
Widersprüchliche Aussagen vom Gesundheitsamt
Das ist bei Lieselotte Käfer ganz anders. Die Rezeptionistin des „Seecamping Kelbra“ muss immer wieder Fragen nach der Wasserqualität im Stausee beantworten. „Die Leute sind einfach nur verunsichert. So macht man uns das Geschäft kaputt“, findet sie und zeigt auf den Aushang neben der Schrankenanlage im Eingangsbereich des Platzes.
Der ist widersprüchlich. So heißt es dort: Nach einer Richtlinie der Europäischen Union wird die Badewasserqualität aufgrund von Messwerten ein Jahr im Voraus festgelegt. Für den Stausee Kelbra wurde die Badewasserqualität für 2019 mit „mangelhaft“ eingestuft, konstatiert das Gesundheitsamt des Landkreises und rät vom Baden im Stausee ab. Zum einen.
Andererseits nimmt das Gesundheitsamt aktuell alle zwei Wochen Wasserproben und lässt diese unter anderem auf „Escherichia coli“, sogenannten Kolibakterien, die Durchfall und Darmentzündungen auslösen können, untersuchen.
Warnung für 2019 soll aufrechterhalten bleiben
Stand jetzt: Die Badewasserqualität ist zurzeit „sehr gut“, sagt Kelbras Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wähler) und verweist auf Protokolle des Gesundheitsamtes des Landkreises. Doch das ist derzeit irrelevant.
„Nach aktueller Einschätzung des Gesundheitsamtes wird die Warnung für das Jahr 2019 aufrechterhalten“, prognostiziert Landkreissprecher Uwe Gajowski.
Am Stausee selbst versteht so mancher die Welt nicht mehr. Um das Schlimmste zu verhindern, nämlich dass die Badegäste ausbleiben, hat der Bürgermeister den Aushang um Folgendes ergänzt: „Aktuell ist die jetzige Badewasserqualität laut Protokoll vom Amt für Gesundheit gut - sehr gut“.
Algen nach langem Sommer erwartet
Wer sich rückversichern möchte, kann die Prüfprotokolle an der Rezeption des Campingplatzes einsehen. „Mehr kann man nicht machen“, sagt Bornkessel.
Auch bei Ariane und Andreas Ruppe, Dauercamper aus dem thüringischen Voigtstedt, ist die Empfehlung des Gesundheitsamtes noch nicht angekommen. „Das Wasser ist völlig in Ordnung“, glaubt Andreas Ruppe.
Zumal die Saison gerade erst richtig beginnt. Anders sei das nach einem langen Sommer, wenn der Wasserstand in dem ohnehin flachen Rückhaltebecken sinkt. Dann bildeten sich auch schon mal Algen. „Aber das ist schon seit Jahren so“, weiß Ruppe.
Vogelkot und niedriger Wasserstand als Gründe
Allerdings sei aktuell der Wasserspiegel deutlich unter dem Niveau der Vorjahre. Und das steht im Zusammenhang mit der schlechten Wasserqualität. Denn als Hauptursache hat der Landkreis Vogelkot in dem Schutzgebiet für die gefiederten Freunde ausgemacht.
Immerhin rasten im Herbst Zehntausende Zugvögel am Helmestausee. Da es sich um kein natürliches Gewässer handelt und das Wasser im Winter regelmäßig abgelassen wird, könnten keine Selbstreinigungsmechanismen entstehen, so das Gesundheitsamt.
Dies und auch die geringe Wassertiefe, die zu einer schnellen Erwärmung des Wassers führe, förderten die Bakterienbildung. Auch deshalb werde vom Baden abgeraten.
„Uns ist das egal, wir sind ohnehin nicht zum Baden hierhergekommen“, sagt Doris Gustke und räumt die Frühstückstassen ins Wohnmobil. (mz)