Unwetter-Folgen Unwetter-Folgen: Riestedt verbarrikadiert sich

RIESTEDT/MZ. - Susanne Fromm schwitzt. Wie etwa 120 andere Bundeswehrsoldaten ist die 25-Jährige seit Dienstagmorgen auf einem Acker nördlich von Riestedt im Katastropheneinsatz. Gemeinsam mit 140 Feuerwehrleuten, 100 Beamten der Bereitschaftspolizei und Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks bauen sie auf dem Feld aus 200.000 Sandsäcken ein riesiges Wall-System. Es soll den Sangerhäuser Ortsteil künftig provisorisch vor Naturkatastrophen schützen.
In der Nacht zum Montag war die 1 500 Einwohner zählende Ortschaft zum zweiten Mal in nur zehn Tagen von einer Gewitterfront heimgesucht worden: Etwa 52 Liter Regen fielen in einer Stunde und lösten eine Schlammwelle aus, die sich von dem frisch bestellten Acker durch den Ort wälzte. Keller, Garagen und Gärten wurden überschwemmt. Ein Mann hat laut Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) im eigenen Keller sogar bis zur Brust im Schlamm gesteckt, so dass Gefahr für Leib und Leben bestand.
Die harte körperliche Arbeit, ein Sandsack wiegt 20 Kilogramm, macht der jungen Gefreiten nichts aus. Dabei ist Fromm sonst als Feldköchin bei der Führungsunterstützungsbatterie in Erfurt tätig und hat mit Bauarbeiten nichts am Hut. "Das hier ist schon etwas komplett anderes", meint sie. "Wir sind aber dafür da, Menschen zu helfen." Deshalb werde nicht gemurrt, auch wenn es anstrengend sei. Ebenso sehen es die meisten anderen Soldaten.
Gut 150 Meter vom Einsatzort der Soldaten ist Siegfried John (58), der Chef der Langenbogener Feuerwehr, im Einsatz. Er spitzt mit der Kettensäge Baumstämme an. Die insgesamt 2 000 Stämme werden später mit Hilfe eines Tiefladers einen Meter tief in die Erde gerammt und sollen so den Sandsäcken Halt geben. "Wir versuchen damit zu verhindern, dass der Hang abrutscht", sagt Oberst Claus Körbi, der den Bundeswehreinsatz leitet. Die 30 Zentimeter Mutterboden, die über dem Gestein liegen, seien so voll Wasser, dass sie nichts mehr aufnehmen können. Deshalb müsse es schnell gehen. Die ersten drei Dämme sollen fertig sein, bevor die nächsten Regengebiete eintreffen. Sie werden für die Nacht zum Donnerstag erwartet.
Oberst Körbi ist sicher, dass das zu schaffen ist. Er hat schon ganz andere gefährliche Situationen gemeistert, war bei Hochwasser an der Elbe und der Oder im Einsatz. "Es ist nur komisch, das wir jetzt selbst hier mit solchen rutschenden Hängen zu tun haben." So etwas kenne er sonst nur aus dem Ausland. Generell sei der Hang in Riestedt schwierig.
Nach Angaben der Kreisverwaltung liegt er bis zu 250 Meter höher als der Ort. Innenminister Stahlknecht machte sich am Dienstag nochmal auf den Weg ins Katastrophengebiet. "Es ist mein Wunsch, den Leuten zu sagen, dass sie erstmal sicher sind", sagte er. Bereits am Montag hatten Fachleute Stahlknecht mitgeteilt, dass eine solche Schlammlawine den Ort schnell wieder überrollen könnte. Zusammen mit Experten vom Landesamt für Hochwasserschutz und des Landesverwaltungsamtes soll nun ein Konzept entwickelt werden, "um Nachhaltigkeit zu schaffen". Nach Angaben von Fachleuten muss das Provisorium an dem Hang mittelfristig durch eine richtige Entwässerungsanlage ersetzt werden.
Unterdessen wurde am Dienstag bekannt, dass das Unwetter in der Nacht zum Montag ebenfalls zum zweiten Mal den Allstedter Ortsteil Pölsfeld verwüstet hat. "Es war schlimmer als bei dem ersten Gewitter", sagt Allstedts Bürgermeister Jürgen Richter (CDU). Er ist mit vielen Feuerwehrleuten und Gemeindearbeitern seit dem frühen Montagmorgen im Einsatz, koordiniert die Aufraumarbeiten, die auch am Dienstag den ganzen Tag über laufen. Als Sofortmaßnahme lässt die Gemeinde oberhalb der Ortschaft ein Schlammbecken erweitern. Es soll die Ortschaft vor ähnlichen Vorfällen bewahren. Anwohner hoffen, dass es etwas bringt und dass es vor allem nicht noch einmal so stark regnet.
"Ich habe gedacht, die Elbe fließt bei uns durch", sagt Doris Brehme (72), deren Garage überschwemmt wurde. "So was muss ich nicht nochmal haben."
