Unbemerkter Tod Unbemerkter Tod: Wenn Menschen sterben und keiner sie vermisst
Sangerhausen - 34 Menschen sterben, die allem Anschein nach niemand vermisst. So geschehen im letzten Jahr in der Stadt Sangerhausen. Sie wurden erst Tage oder gar Wochen nach ihrem Tod in ihren Wohnungen aufgefunden. „Die Tendenz ist leider steigend und zwar in erheblichem Maße“, sagt Udo Michael, er ist Fachbereichsleiter bei der Stadtverwaltung Sangerhausen.
In seinem Amt wird organisiert, dass diese einsam verstorbenen Menschen zumindest im Tode würdevoll behandelt und bestattet werden. Zumeist lebten diese Leute in Wohnungen in der Kernstadt Sangerhausen. Nicht alle waren betagt.
Zerüttete Familienverhältnisse
Was in allen Fällen aber gleich ist: Diese Personen hatten kaum noch oder gar keine sozialen Kontakte mehr. Ehepartner sind verstorben, die Kinder weit weg verzogen, wenn es denn überhaupt Kinder gibt. Oder aber die Familienverhältnisse sind einfach zerrüttet. Nachbarn kennen sich kaum noch untereinander.
Eine Sicherheit sind Pflegedienste, die Senioren regelmäßig aufsuchen. „Aber es gibt auch eine Grauzone. Die Menschen, die keine Pflegestufe haben, aber trotzdem Hilfe bei der Haushaltsführung brauchen, werden nirgendwo erfasst“, sagt Michael, der weiß, dass manchmal auch die Wohnungen, in denen die Menschen gefunden werden, ein trauriges Bild zeichnen.
Verwandte auffindig machen
Das Problem sei auf jeden Fall der Stadt und auch den Wohnungsunternehmen bekannt. Denn den Kommunen und den Wohnungsunternehmen obliegt es, Verwandte oder andere Verpflichtete aufzuspüren, denn sonst muss die Kommune die Beerdigungskosten tragen.
Die Sangerhäuser Feuerwehr wird häufig zu Wohnungsnotöffnungen gerufen. Allerdings sei in diesen Fällen davon auszugehen, das die Person noch am Leben sei, sagt Stadtwehrleiter Thomas Klaube.
„Dann hat der aufmerksame Nachbar irgendetwas registriert, was nicht so ist wie immer und aus Sorge den Notruf gewählt.“ So habe man schon manchem Menschen das Leben retten können. Darauf, dass sich die Leute kennen und ein Auge aufeinander haben, setzt auch der Allstedter Ordnungsamtsleiter Jörg Hofmann.
Dort in Allstedt sei es in den letzten Jahren nicht vorgekommen, dass ein Mensch lange Zeit unbemerkt tot in seiner Wohnung lag . „Auf dem Land kennt man seinen Nachbarn und dessen Gewohnheiten noch.“
Wilfried Riß hat es sich zur Aufgabe gemacht, alles ihm Mögliche zu tun, dass Menschen nicht einsam sein müssen und schon gar nicht vereinsamen. Mit gemeinsamen und regelmäßigen Ausflügen über einen oder einen halben Tag versucht der Eisleber Stadtseniorenrat, einsame Menschen zu erreichen.
Aktionen gegen die Einsamkeit
Riß ist der Vorsitzende des Stadtseniorenrats der Lutherstadt. Bei diesen Ausflugsfahrten, von denen der Stadtseniorenrat übers Jahr eine ganze Reihe organisiert, sei Einsamkeit ein Thema, das sehr oft angesprochen werde.
„ Früher hat man so etwas Tragisches nur im Fernsehen gesehen. Da war das weit weg. Nun ist es auch bei uns Realität geworden, dass Menschen an ihrem Lebensende so einsam sind, dass sie niemand vermisst“, sagt Karina Kaiser.
Die Vorsitzende des Kreisseniorenrats engagiert sich seit Jahren fürs Ehrenamt, dafür, dass Menschen sich in den Seniorenräten in den Kommunen einbringen. „Auch das hilft gegen Einsamkeit“, findet sie und weiß aber, dass viele Menschen dazu gar nicht mehr so in der Lage sind, wie sie es vielleicht früher gekonnt hätten.
„Ich finde den Fall einer betagten Frau auf dem Land sehr traurig, der mir geschildert wurde. Ihr einziger sozialer Kontakt ist die Podologin, die sie hin und wieder aufsucht. Das ist eine traurige Entwicklung in unserer Gesellschaft, gegen die wir etwas unternehmen müssen“, findet sie und engagiert sich selbst in der Stadtentwicklungsgruppe in Sangerhausen. (mz)