Therapiehof Sotterhausen Therapiehof Sotterhausen: Patienten haben Theaterstück erarbeitet und aufgeführt

Sotterhausen - Das Theaterstück dreht sich um ihn: Oliver Schramm, 26, aus Dessau. Er war mehrfach abhängig, hat ein paar Therapien hinter sich und ist in einer Talkrunde zu Gast. Neben ihm sitzt seine Freundin. Auch sein Vater, ein Streetworker, eine Heimleiterin und der Chef einer Metallverarbeitungsfirma sind eingeladen. Worum es gehen soll, reißt der Moderator mit der ersten Frage an. „Was verstehen Sie unter Sucht?“
Sieben Patienten des Therapiehofs Sotterhausen haben das Stück erarbeitet
So beginnt das neue Theaterstück, das am Mittwoch im Therapiehof Sotterhausen aufgeführt wurde. Sieben der insgesamt 50 Patienten haben es mit den Therapeutinnen Angelika Frenzel und Diana Claus erarbeitet. Im Publikum sitzen Schüler aus dem Berufsvorbereitungsjahr der Berufsbildenden Schulen, Patienten und Mitarbeiter der Klinik.
Während der Fragerunde auf der Bühne wird schnell klar: Unter Olivers Abhängigkeit hat auch seine Freundin gelitten, sie ist also co-abhängig. Seinem alleinerziehenden Vater „wäre es peinlich gewesen“, wegen der Probleme mit Hannes irgendwo Hilfe zu suchen - obwohl es doch das Jugendamt, Beratungsstellen oder Tageskliniken gibt. Der Streetworker arbeitet mit süchtigen und nicht süchtigen Kindern und Jugendlichen: „Ich kenne meine Pappenheimer.“ Die Heimleiterin versucht, mit Hilfe von Psychologen Kinder und Eltern wieder zusammenzuführen oder die Jugendlichen auf dem Weg in ein eigenständiges Leben zu begleiten, wenn die Kluft zu den Eltern zu groß geworden ist. Der Firmenchef stellt fest, dass sich „immer mal ein Süchtiger einschleicht“, aber keine Chance bei ihm habe - obwohl er sie eben doch bekommen müsste.
Suchtkranke komme häufig aus einem vorbelasteten Umfeld
Später wird klar, dass auch Olivers Vater ein Suchtproblem hat: „Acht Bier, das sind nicht mal zwei Hände voll.“ Oliver hat das erste Bier mit 13 getrunken, mit 15 gekifft und mit 16 Crystal genommen. Seine Freundin hat ihn nach der ersten Therapie verlassen, wegen seiner Sucht findet er keinen Job. Es wirft ihn immer wieder um.
Tatsächlich, sagt der 20-jährige Hannes aus Hettstedt, sei es bei ihm so ähnlich gewesen wie bei jenem Oliver, den er im Theaterstück verkörpert: „Mit 13 der erste Joint, mit 15 Crystal. Nach der Grundschule bin ich ans Gymnasium gegangen, hatte schwere Migräne, bin zur Sekundarschule gewechselt, habe ein Berufsvorbereitungsjahr angefangen und bin rausgeflogen.“ Sein Vater sei Alkoholiker gewesen. Seine Mutter hatte Leukämie, als er 13 war, erzählt Hannes, sein damals achtjähriger Bruder musste sich um sie kümmern. Er selbst hatte mit 14 die erste Therapie, zog mit 16 ins Betreute Wohnen, mit 18 folgte die erste und mit 20 die zweite Entgiftung.
Ein Neuanfang sein wichtig für die ehemaligen Suchtpatienten
Ein halbes Jahr dauert die Therapie in Sotterhausen. Hannes besucht jetzt jeden Samstag seine Mutter, die in der Nähe wohnt. Er fühlt sich wohl in der neuen Patchworkfamilie, die es inzwischen gibt. Nach der Therapie will er fort aus Mansfeld-Südharz und hofft auf einen Job in Magdeburg: „Ich war mal Helfer im Straßenbau.“
Das Umfeld zu wechseln, sagen Chefärztin Rosemarie Wesolowski und die leitende Therapeutin Kerstin Bartsch, sei ganz wichtig für den Neuanfang ihrer Patienten. Denn die meisten haben weder eine Ausbildung noch einen Schulabschluss, meist auch keine Arbeitsstelle. Und sie bräuchten Hilfe für die Zeit nach ihrer Therapie.
Das betrifft nicht nur Hannes. Sondern genauso Lars, 19, aus Magdeburg, der die Aufführung gefilmt hat. Oder Evelin, 22, aus Stendal, die im Theaterstück die Heimleiterin gibt und Köchin, Verkäuferin oder Masseurin werden möchte. Vielleicht können sie zum nächsten Abstinententreffen im September 2017 noch mal nach Sotterhausen, um Rede und Antwort zu stehen. (mz)