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Sangerhausen Sangerhausen: Was sind Krapp und Waid?

Von WINFRIED MÜLLER 02.08.2011, 16:45

RIESTEDT/MZ. - Mal Hand aufs Herz, lieber Leser, sagt Ihnen der Begriff "Krapp" oder "Waid" irgendetwas? Keine Ahnung, keine Vermutung was sich dahinter verstecken könnte? Vielleicht doch schon mal was darüber gehört oder gelesen? Keine Idee? Absolut nichts? Da zeigt sich, wie schnell etwas in Vergessenheit gerät, wenn es nicht mehr zum alltäglichen Gebrauch gehört - eigentlich symptomatisch für uns Menschen.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, etwas mehr als zweihundertfünfzig Jahre, als sowohl Waid als auch Krapp noch eine hoch geschätzte und bedeutsame Rolle im alltäglichen Leben spielten. Ja, sogar gekrönte Häupter beschäftigten sich zur damaligen Zeit mit Waid und Krapp.

Ein bisschen neugierig geworden, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt? Der Sangerhäuser Chronist Friedrich Schmidt hat in seinem handgeschriebenen Büchlein beziehungsweise seinen Aufzeichnungen über Riestedt eine fürstliche Verfügung aufgenommen und festgehalten, die uns der Geschichte dieses Begriffes etwas näher bringt.

Es wird darin berichtet, dass Anno 1747 der Churfürst Friedrich August gegenüber dem wirklichen Geheimen Rat, auch Landeshauptmann, Kammerherren, Oberaufseher Friedrich Wilhelm Grafen von Brühl, Christian Ferdinand von Zettwitz und den Amtmann Conrad Reiche folgendes anordnete: "Nachdem die Cultur der Farben Röthe zu beförderung der Landes Fabriquen vor sehr zuträglich befunden worden, so begehren wir hierdurch, ihr wollt nicht nur im Amte bei euch die Unterthanen zum Bau berüheter Röthe, wo solche, nach Beschaffenheit des Bodens angebaut werden kann . . . und die alten Amtsassen zur ebenmäßigen aufmunter und veranlassung ihrer Unterthan zur Fortpflanzung dieses Materials und daß sie bei sich selbst zu Anbau und Ausbreitung dieser Farben Plantage voranstellungen treffen sollen, befüge Verfügung thun".

Also, ins heutige Deutsch übersetzt heißt das, der Landesfürst forderte in dieser Verfügung seine Untertanen zum plantagemäßigen Anbau einer Kultur auf, die man Färberröte nannte. Die Färberröte (auch Krapp genannt) und auch der Färberwaid sind Pflanzen, aus deren Bestandteilen man durch Gärungsprozesse etc. rote und blaue Farbstoffe extrahiert. Die Wurzeln der Krapppflanze (lat. Rubia tinctorum) enthalten einen roten Farbstoff, die Blätter der Waidpflanze (lat. Isatis tinctoria) eine Vorstufe des Indigos, also eines blauen Farbstoffes. Damit wäre eigentlich schon das Raten um den Begriff Krapp und Waid abgeschlossen, wenn da nicht gleichzeitig so viele, interessante Geschichten über diese Pflanzen existieren würden, die man unmöglich verschweigen kann.

Das Ursprungsgebiet der Pflanzen ist Asien und der Raum 1482 um das Mittelmeer, sicher ein Grund dafür, dass schon im Altertum Krapp und Waid bei den dortigen Völkern Verwendung fanden. Vor 4 000 Jahren benutzten die alten Ägypter den blauen Farbstoff, um damit die Bänder ihrer Mumien zu färben. Auf einem Papyrus aus einem thebanischen Grab des 3. bzw. 4. Jahrhundert v. Chr. wird beschrieben, wie man aus Waid einen Farbstoff herstellt. Die Kelten schmierten sich den blauen Farbstoff ins Gesicht und in die Haare zur "Befriedigung" ihrer Götter und zur Abschreckung ihrer Feinde.

Auch Cäsar berichtet in seinem Buch über den Gallischen Krieg: "Alle Britannier färben sich mit Waid blau und sehen daher in der Schlacht ganz schrecklich aus."

Aber mehr noch als zur Kriegsbemalung dienten die Farbstoffe zum Färben von Textil- und Lederartikeln und bildeten damit auch einen wirtschaftlich sehr relevanten Faktor. Selbst die Wikinger färbten ihre Stoffe mit diesen Farben. Große Bedeutung erlangte ein Gewinnungsverfahren aus der Türkei, das ein feuriges, außergewöhnliches farbechtes Rot erzeugte, das so genannte "Türkisch-Rot". Wie wichtig die Herstellung dieser Farbstoffe war, zeigt, dass selbst ein Kaiser in diese Materie eingriff. Kaiser Karl der Große erlässt im Jahre 800 eine Güterverordnung, die den Anbau von Krapp und Waid vorsieht. Die Produktion der Farbstoffe hatte sich, nicht zuletzt durch Verrat türkischer Färber, auch in Europa ausgebreitet.

Im 15. Jahrhundert lag das Zentrum des Krappanbaus in den Niederlanden, im 16. Jahrhundert war Frankreich der Hauptproduzent. Auch in unserer Gegend wurden die Kreuzblütler angebaut. Es wird berichtet, dass die Stadt Erfurt zu großem Reichtum kam und die Mittel zur Gründung ihrer Universität im Jahre 1392 dem Waidhandel verdankte. Erst in den Jahren 1871 bis 78 wurde dem Anbau der Pflanzen Waid und Krapp in Europa quasi der Todesstoß versetzt. Den Chemikern Graebe, Liebermann und Baeyer gelang es, den roten und blauen (Indigo) Farbstoff preislich und qualitätsmäßig günstiger in der Retorte herzustellen.

Inzwischen hat eine Renaissance des Waids begonnen, dessen Einsatzmöglichkeit im Bereich medizinischer Anwendungen noch gar nicht abschätzbar ist. Die Pflanze enthält große Mengen der krebsvorbeugenden Substanz Glucobrassicin.

Das Thema Färberröte (Krapp) und Waid wurde auch deshalb aufgegriffen, weil sich der Riestedter Heimat- und Geschichtsverein seit längerer Zeit bemüht, Bedeutung und Herkunft von alten Flurnamen zu ermitteln. Die hier im Kataster aufgefundene Flurbezeichnung "Der Weinberg" deutet zum Beispiel daraufhin, dass in unserer Gegend Weinanbau ausgeübt wurde. Die dafür vorhandenen klimatischen Bedingungen waren sicher auch für den Anbau der besagten Färberröte Krapp zuträglich, das lassen zumindest die in Riestedt vorgefundenen Flurnamen "Rod" und "Röth" vermuten.

Die Riestedter sind wahrscheinlich der Aufforderung ihres Landesvaters gefolgt und haben den Anbau dieser geschichtsträchtigen und einträglichen Färberpflanze Krapp betrieben.