Sangerhausen Sangerhausen: Uran-Debatte erhitzt die Gemüter
SANGERHAUSEN/MZ. - Denn mehrere Bürger wollten zwei Transparente "pro Fernwasser" anbringen - sehr zum Verdruss von Sangerhausens Oberbürgermeister Dieter Kupfernagel (Die Linke), Gastgeber der mit Spannung erwarteten Gesprächsrunde. Doch trotz Aufregung: Die Spruchbänder blieben im Saal. Und die Meinungen letzten Endes ebenso geteilt.
Jutta Parnieske-Pasterkamp aus Hayn, Mitglied im Trinkwasserausschuss und Dozentin an der Fachhochschule Nordhausen, blieb der Einstieg ins schwierige Thema vorbehalten. Sie begründete, warum sich der Verband vor kurzem entschlossen habe, in den ersten vier Brunnen Filter einzubauen: "Um Ihre Ängste und den Urangehalt in den Griff zu bekommen". Sie spitzte zu: "Wir sind froh zu wissen, dass wir Uran im Trinkwasser haben, denn wir können's rausholen. Andere wissen's nicht mal."
Mittels technischer Verfahren könne man das Schwermetall "sehr schnell und sehr effizient" entfernen, betonte der Münchner Wasser-Experte Manfred Borho und ließ drei Röhrchen mit verschiedenen Substanzen durch die Zuschauerreihen geben. Quasi als Anschauungsmaterial für das Innere eines Uranfilters, den er ebenfalls als Muster mitgebracht hatte.
Für die Nutzung des eigenen Wassers plädierte ebenfalls Ernst Hofmann. Uranfilter zu bauen, sei jetzt nötig und richtig. "Vielleicht gehen wir in fünf oder zehn Jahren andere Wege." Zugleich mahnte der Kommunalpolitiker, den kommunalen Einfluss auf die Trinkwasserversorgung so lange wie möglich zu erhalten - und fügte nur das Wörtchen "Krankenhaus" hinzu. Die Menge applaudierte.
Die zweite, von vielen Anwesenden mit viel größerem Interesse erwartete Variante wäre die mögliche Versorgung mit Fernwasser aus der Rappbodetalsperre. Es enthalte kein Uran, sei aber so weich, dass es zusätzlich mit Kalkmilch angereichert werden müsse, so Parnieske-Pasterkamp. Sie gab zu bedenken, dass sich der Klimawandel auch auf den Wasserhaushalt der Talsperre und den Eintrag organischer wie anorganischer Substanzen auswirken werde. Würden die Brunnen stillgelegt, rechne das Landesamt für Geologie und Bergbau mit einem Anstieg des Grundwassers nahe Wallhausen bis auf anderthalb Meter unter der Erde.
Beim Vergleich der Vor- und Nachteile beider Wässer kam der Sangerhäuser Eberhard Raap zu einem anderen Ergebnis: "Die Zukunft muss der Anschluss ans Fernwassernetz sein." Jetzt etwas gegen den erhöhten Urangehalt zu unternehmen, sei richtig, fand er.
Viele Gründe, die Region Sangerhausen mit Fernwasser zu versorgen, zählte Karl-Heinz Gafert auf. Mitte der 90er Jahre hatte er als Ingenieur den Bau der Fernwasserleitung nach Nienstedt betreut. Fernwasser sei qualitativ besser und kostengünstiger. "Mit Rappbode-Wasser könnte die Bevölkerung Sachsen-Anhalts zwei Jahre versorgt werden." Verkrustungen in den Rohren ließen sich lösen, so die Erfahrungen aus dem Mansfelder Land, das seit Mitte der 90er Jahre Rappbodewasser bezieht.
Peter Michalik, Geschäftsführer der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz, warb ebenfalls mit guter Wasserqualität. "Wir wollen Wasser verkaufen, klar." Mögliche Investoren für das Sangerhäuser Industriegebiet wollten ohnehin Fernwasser, eventuell könnte ja ein Teil der Region mit angeschlossen werden.
Kopfschütteln erntete Uwe Halbach, dessen Büro den Sangerhäuser Trinkwasserverband betreut. In den USA sei der Uran-Grenzwert auf 30 Mikrogramm je Liter angehoben worden, bei Hunderttausenden von Menschen habe man trotz des Genusses von uranhaltigem Wasser keine Nierenschäden festgestellt. Uran sei weniger giftig als Blei oder Quecksilber, sagte er. Worauf Hans-Georg Liebau schimpfte: "Sie plädieren so für Uran, dass man das Ganze sein lassen könnte!"
Doch das will der Verband keineswegs und nächstes Jahr nochmals vier Uranfilter einbauen lassen. Denn das gesamte Verbandsgebiet mit Fernwasser zu beliefern, sei nicht einfach und keinesfalls von heute auf morgen zu lösen, so Oberbürgermeister Kupfernagel. Er schloss nicht aus, dass es teilweise Fernwasser geben könne.
Doch das hätte seinen Preis. Zwar liege noch keine dynamische Kostenrechnung vor, so Parnieske-Pasterkamp. Gefiltertes Brunnenwasser wäre um drei Cent, Fernwasser um 51 Cent je Kubikmeter teurer, ließ sie verlauten.