Sangerhausen Sangerhausen: Kontaktstelle steht Multiple Sklerose-Betroffenen zur Seite
Sangerhausen/MZ. - Die Gymnastik-Übungen hören sich ganz leicht an: Gummibänder ziehen, mit Schaumstoffbällen werfen oder Kopfkreisen. Was einen gesunden Menschen nur wenig belastet, ist für die Mitglieder der Selbsthilfegruppe Multiple Sklerose sehr anstrengend. Diese Übungen ein oder zwei Stunden zu machen, wäre niemals möglich, sagt Klaus Stüber, der Vorsitzende der Sangerhäuser Gruppe. Höchstens 45 Minuten sind veranschlagt. Danach brauchen die Mitglieder eine lange Ruhepause.
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Und wie das Wort "multiple" sagt, sind die Entzündungsherde vielfach verstreut. "Jeder Körperteil kann betroffen sein", erzählt Heide Böland, die 20 Jahre in der Neuropsychiatrie gearbeitet hat und die Gruppe fachlich unterstützt.
Der Vorsitzende Klaus Stüber ist selbst Betroffener. Doch sei er noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, sagt Böland. Denn dem 69-Jährigen sieht man seine Erkrankung nicht an. "Ich hatte Gleichgewichtsstörungen, habe doppelt gesehen und meine Sprache war verwaschen", erzählt Stüber. Seit 1977 ist er erkrankt. Es geht aber auch anders. "Es gibt Betroffene, die aus dem Rollstuhl oder Bett nicht mehr herauskommen. Wer Pech hat, kann nichts mehr selbst erledigen", so Heide Böland. Bei etwa 96 Prozent der Patienten komme die Krankheit in Schüben. Das sei noch recht günstig, sagt Böland, denn dann könnte man konkret behandeln. Bei vier Prozent der Betroffenen verläuft die Krankheit schleichend, was heißt, dass sich der Zustand stetig verschlechtert. Heilbar ist die Krankheit nicht, denn die Ursache der Entstehung ist trotz großer Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt. Lediglich Therapieformen könnten die Krankheit lindern.
"Es ist wichtig, dass sich Betroffene nicht zurückziehen", sagt der Vorsitzende der Gruppe. Er habe bis 1992 noch in seiner Bürotätigkeit arbeiten können. Sich nicht zurückzuziehen, heißt aber auch, mit anderen Menschen über die Krankheit zu reden, sich Tipps und Ratschläge zu holen oder sich gar abzulenken. "Trübsal blasen macht es nicht besser", sagt Stüber. Die Selbsthilfegruppe kann da natürlich zur Seite stehen.
Jeden dritten Mittwoch im Monat findet um 15.30 Uhr im Pavillon des Awo-Pflegeheimes "Am Rosengarten" ein Gruppentreff statt. Wöchentlich mittwochs von 9 bis 12 Uhr kann man sich bei der Sprechstunde im Darrweg 1a beraten lassen. "Wie gehe ich mit der Krankheit um", das sollten sowohl die Betroffenen als auch die Familienmitglieder wissen, meint Klaus Stüber. Denn in vielen Krankheitsfällen müsse das Leben der gesamten Familie umgestellt werden. Zudem kann man in der Sprechstunde Beratungen im sozialen Bereich erhalten.
Die Beratungsstelle habe aber kaum Zulauf, erzählt Stüber. Betroffene junge Leute würden als Informationsquelle das Internet vermehrt nutzen. Und zum Teil sei es auch aus Scham, dass Betroffene die Stelle nicht aufsuchen. Veranstaltungen, die die Gemeinschaft fördern, wie etwa Wanderungen oder die einmal jährlich stattfindende Wochenend-Reise der Gruppe nach Bad Kösen, würde den Betroffenen und ihren Angehörigen dann aber entgehen. "Wir wollen sie mit Vorträgen, Gymnastik und geselligem Beisammensein vom anstrengenden Alltag herausholen", so Klaus Stüber.