Regionale Firmen entwickeln neues Verfahren Regionale Firmen entwickeln neues Verfahren: Sieben Jahre bis zum Patent

Sangerhausen - Rainer Böhme schüttelt mit dem Kopf und lacht. Nein, beziffern kann er den Aufwand nicht. Die Stunden nicht, die Tage nicht, die er an seiner Idee gearbeitet hat, eine Baumscheibe so zu veredeln, dass sie beim Trocknen nicht reißt oder sich verformt. Rund sieben Jahre sind seit der Idee ins Land gegangen. Jetzt hat der Sangerhäuser Tischlermeister beim Europäischen Patentamt den Schutz für sein Verfahren zur Bearbeitung des so genannten Hirnholzes angemeldet. Demnach wird in einem Kessel das Holz mit einem chemischen Stoff getränkt, der für die gewünschte Stabilität sorgt. „Wir haben einen neuen Rohstoff geschaffen“, freut sich der 52-Jährige, endlich am Ziel zu sein.
Gescheiterte Versuchsreihen
Dabei war Böhme angesichts zahlreicher gescheiterter Versuchsreihen mit seiner Idee fast schon verzweifelt. Doch der Kontakt mit dem Holzimpulszentrum (HIZ) Rottleberode brachte die entscheidenden Fortschritte. „Wir haben Herrn Böhme von seiner Aufgabenstellung über die Ausarbeitung des Lösungswegs, die Beschaffung von Fördermitteln bis hin zur technischen Umsetzung unterstützt“, sagt Matthias Zscheile. Der promovierte Experte für Holzverarbeitung der Uni Rosenheim hatte das HIZ Rottleberode initiiert und 2012 ins Leben gerufen. Es soll unter anderem als Bindeglied zwischen der Holzindustrie im Südharz und dem Chemiestandort Leuna fungieren und dabei Koordinierungs-, Entwicklungs- und Schulungszentrum sein für die Region. Für den Auf- und Ausbau des Verbundes stellten das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Industrie sowie Unternehmen jeweils 40 Millionen Euro für die 60 Partner bereit.
Hirnholz oder auch Stirnholz nennt man Hölzer, deren Querschnitt Nutzfläche ist. Es entsteht, wenn man einen Holzstamm quer zur Länge (also quer zur Faser) durchschneidet. So sind Segmente der Jahresringe oder auch vollständige als Kreise zu sehen. Da hier die Kapillaren des Holzes durchschnitten sind, kann die Feuchtigkeit leichter eindringen als bei Längsholz.
Hirnholz benötigt deshalb eine Versiegelung, weist dann jedoch herausragende Eigenschaften auf. Eine Hirnholzfläche kann gegenüber einer parallel zu den Fasern verlaufenden Fläche (Längsholzfläche) das Mehrfache an Druck aushalten. Holzpflaster-Steine werden deshalb mit ihren Querschnitten senkrecht zur Belastung verlegt.
Neue Einsatzfelder
Dank des HIZ hat die Tischlerei Böhme den Durchbruch geschafft. Ob die Erfindung die Branche revolutionieren wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Aber sie bietet dem 13-Mann-Betrieb im Sangerhäuser Gewerbegebiet „Thomas-Münzer-Schacht“ neue Einsatzfelder. So soll die Produktion und Vermarktung des einzigartigen und exklusiven Naturholzbodens sowie Wand und Deckenverkleidung erfolgen. Und auch im Treppenbau sollen die veredelten Hölzer zum Einsatz kommen. „Es wird auf keinen Fall ein Billigprodukt“, sagt Firmenchef Böhme. Jetzt steht erst einmal die Markteinführung bevor. Hier hofft der Sangerhäuser Tischlermeister auf ein Förderprogramm des Landes Sachsen-Anhalt. Mit diesem fördern Land und EU die Bildung und Arbeit von Netzwerken aus Unternehmen der Kreativwirtschaft, des kreativen Handwerks und anderer Branchen. Ziel ist es, innovative und neuartige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. „Dann werden wir weitersehen“, sagt Böhme. Schritt für Schritt will er sich der neuen Herausforderung nähern.
Derweil werden auf dem Gelände des ehemaligen Münzerschachtes in der Kreisstadt weiter Treppen, Fenster, Türen und Möbel gefertigt. Der durchschnittliche Jahresumsatz liegt bei 700 000 bis 800 000 Euro, sagt der Chef. Doch vielleicht ändert sich das bald mit dem „neuen Rohstoff“. Der ist sozusagen als Referenz beim Sangerhäuser Stahl- und Metallbauunternehmen Kasanit in einer Treppe verbaut worden. Die Firma in der Nachbarschaft der Tischlerei hat die Anlagen für die Veredlung des Hirnholzes gebaut. „Jetzt müssen wir die Fertigung noch weiter perfektionieren,“ blickt Handwerksmeister Böhme optimistisch in die Zukunft und lacht. (mz)