Plattenbaugebiet "Am Rosarium" Plattenbaugebiet "Am Rosarium": Aus für den einzigen Supermarkt

Sangerhausen - „Schön, dass Sie da sind.“ Dieser Satz begrüßt die Kunden an der Eingangstür des NP-Marktes im Sangerhäuser Stadtteil „Am Rosarium“ (vormals Othal). Ab Anfang Juni gilt er nicht mehr: Denn dann schließt der Markt, der zur Edeka Regionalgesellschaft Minden-Hannover gehört. Das bestätigte die Edeka-Pressestelle auf Anfrage. Die Gründe seien wirtschaftlicher Natur, sagt Pressereferentin Miriam Pöttker. Der Stadtteil, in dem knapp 3.000 Menschen leben, verliert damit seinen einzigen Lebensmittelmarkt. Viele Kunden sind sauer.
Supermarkt im Plattenbaugebiet „Am Rosarium“ bestand seit 1999
„Letzter Verkaufstag ist der 3. Juni“, sagt Pöttker. Sie fügt hinzu: „Wir haben lange an dem Standort festgehalten.“ Der Markt in dem Wohngebiet bestand seit dem Jahr 1999. „Allerdings ist er heute nicht mehr zeitgemäß.“ Nicht zuletzt der Neubau des Edeka im Gewerbegebiet an der Oststraße im vergangenen Jahr habe dazu beigetragen, dass die Kunden den modernen Markt mit seinem großen Sortiment dem NP vorzögen. Dementsprechend biete sich der neue Edeka bestens als Ausweichmöglichkeit für NP-Kunden an, wirbt Pöttker. Allerdings ist das Gewerbegebiet etwa zwei Kilometer vom Standort des NP-Markts entfernt. Wer zu Fuß dorthin unterwegs ist, muss auf der Rücktour eine steile Straße hinauflaufen, was für ältere und gehbehinderte Menschen problematisch werden kann.
Viele Kunden des NP-Marktes schimpfen über die geplante Schließung. „Das nicht auch noch“, sagt die 67-jährige Monika Borchert. Die Rentnerin lebt seit 1988 in dem Stadtteil. Sie kann schlecht laufen. „Im vergangenen Jahr haben sie uns die Sparkassen-Filiale weggenommen und jetzt den Supermarkt. Ich weiß nicht mehr, wo ich hingehen soll“, sagt sie. Denn eigentlich habe sie fast ausschließlich bei NP eingekauft: „Jetzt stehe ich da.“
Hamasa Armaan, die aus Afghanistan stammt und mit ihren drei Kindern unterwegs ist, sagt, der Supermarkt sei eine Art sozialer Treffpunkt im Wohngebiet. „Ich bin manchmal mehrfach am Tag dort, um etwas einzukaufen. Mal wollen die Kinder ein Eis, mal etwas anderes.“ Beim Einkaufen sei sie mit anderen Bewohnern ins Gespräch gekommen. Auch der Kreisseniorenrat kritisiert die Entscheidung: „Ich finde es problematisch, einen ganzen Stadtteil abzuhängen. Gerade für Ältere und Gehbehinderte muss eine Lösung gefunden werden“, sagt die Kreisvorsitzende Karina Kaiser.
Einkaufsbus zum Gewerbegebiet als Lösung für Bewohner ohne Auto?
„Denn das Gewerbegebiet an der Oststraße ist fußläufig schlecht erschlossen. Autofahrer haben keine Probleme, die Märkte dort zu erreichen, Fußgänger schon. Hier muss sich dringend was tun“, fordert sie. Kaiser regt an, einen Einkaufsbus aus dem Stadtteil ins Gewerbegebiet fahren zu lassen. Eine ähnliche Lösung gibt es in der Einheitsgemeinde Südharz. Dort bringt ein Service-Bus Bewohner umliegender Orte zum Einkaufen nach Roßla.
Die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) hatte bereits vor vier Jahren das Wachstum der Einzelhandelsflächen in Sangerhausen kritisiert. Es würde zu verschärftem Wettbewerb und am Ende zu Leerstand führen, wenn Läden schließen müssen. Bereits damals lag die Ausstattung mit Verkaufsflächen pro Einwohner in der Kreisstadt weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt. In den vergangenen beiden Jahren kamen trotzdem weitere Läden hinzu: Ein Norma-Markt entstand an der Autoabfahrt Sangerhausen-Süd. Ein Aldi und der erwähnte Edeka wurden an der Oststraße errichtet. Während der Aldi einen Markt ersetzte, der geschlossen wurde, wuchs mit dem Norma und dem Edeka die Handelsfläche weiter.
Eine Mehrheit des Stadtrates befürwortete den Bau des Edeka an der Oststraße, um Einkaufsmöglichkeiten für Bewohner der Ortsteile zu schaffen. Die Stadtverwaltung versuchte dagegen, den Bau zu verhindern. Der Investor besaß nämlich eigentlich nur eine Baugenehmigung, um dort mehrere kleinere Läden zu errichten. Er beantragte beim Bauordnungsamt des Landkreises, die Genehmigung zu ändern, um den Edeka bauen zu können.
Mitarbeitern des NP-Marktes sollen Arbeitsplätze im Unternehmen Edeka angeboten werden
Die Stadtverwaltung gab eine negative Stellungnahme dazu ab. Sie konnte sich aber nicht durchsetzen. Denn: Der Kreis ersetzte die fehlende Zustimmung der Stadt. Damit war der Weg frei für den 1.333 Quadratmeter großen Edeka. Oberbürgermeister Ralf Poschmann (CDU) sagte am Mittwoch: „Jetzt passiert das, was ich prophezeit habe. Ein komplettes Wohngebiet hat keine Versorgung mehr. Die Entscheidung des Stadtrates für den Standort in der Oststraße, die ich nicht mitgetragen habe, fällt uns jetzt auf die Füße.“
Zumindest die Mitarbeiter des NP-Markts sollen nach der Schließung nicht auf der Straße stehen: Edeka bemüht sich nach eigenen Angaben, ihnen im Unternehmen neue Arbeitsplätze anzubieten. Für das Gebäude werde nach einer Nachnutzung gesucht. (mz)