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Rentner stirbt nach heißem Bad Pflegeheim Villa Terra: Schock nach Rentner-Tod in Beyernaumburg sitzt Tief

Von Joel Stubert 07.03.2017, 09:00

Sangerhausen - Barbara Klose hat Schwierigkeiten, die passenden Worte zu finden. „Das alles ist für uns auch nicht nachvollziehbar“, sagt die 54-Jährige. Sie ist die Heimleiterin der Villa Terra in Beyernaumburg im Landkreis Mansfeld-Südharz und durchlebt gerade die schwerste Zeit ihres Berufslebens.

Tragödie in Beyernaumburg: Bewohner stirbt an Verbrühungen

Vor zwei Wochen kam in den Räumlichkeiten der Villa Terra ein Bewohner ums Leben. In seiner Badewanne war das Badewasser zu heiß, er erlitt Verbrühungen, die wenig später zu seinem Tod führten. Welche Rolle die beiden mittlerweile entlassenen Mitarbeiterinnen bei dem Unglück spielten, muss nun die Staatsanwaltschaft ermitteln. Der Fall machte bundesweit Schlagezeilen. Kamerateams von RTL und MDR drehten vor Ort, Journalisten stellten Fragen und zogen ihre Schlüsse. „Wir hoffen wirklich, dass es sich nun bald wieder beruhigt“, sagt Klose. „Wir haben alle zusammen eine Woche lang geweint“, gesteht sie und ihre Stimme klingt so, als seien die letzten Tränen erst vor nicht allzu langer Zeit getrocknet.

Die Pflegeeinrichtung Villa Terra liegt etwas oberhalb von Beyernaumburg, einem Ortsteil der Stadt Allstedt in Mansfeld-Südharz. Auf der einen Seite geht es den Hang hinauf, hinein ins Grüne, auf der anderen in den Ort.

Vorfall in Pflegeeinrichtung Villa Terra: „Wie konnte das passieren?“

Im Foyer der Pflegeeinrichtung sitzen fünf Männer an einem großen, hellen Holztisch und spielen Karten. Es wird gelacht und diskutiert. Ein paar Meter weiter steht ein Tischkicker. In der Nähe sitzen zwei Senioren auf einem Sofa und beobachten ihrerseits die Szenerie. Pflegerinnen grüßen freundlich und widmen sich dann dem Aufräumen. Das Leben in der Villa Terra muss und soll weitergehen, das ist zu spüren. Aber das ist schwer. Beispielsweise, wenn die Angehörigen der Bewohner Fragen stellen. „Da fällt eine Antwort schwer. Außer, dass so etwas nicht passieren darf“, sagt Barbara Klose. Das Vertrauen der Menschen sei aber noch da. „Das ist das Wichtigste.“

Über allem schwebt diese eine Frage: „Wie konnte das passieren?“ Man finde keine rechte Ruhe mehr, sagt sie. Die Gedanken drehen sich im Kreis, fahren Karussell und enden dort, wo sie angefangen haben. Bei ihr ist das so und bei den Kollegen. „Viele Mitarbeiter haben Zukunftsängste, fragen sich, wie es nun weitergeht“, sagt René Pischel, Mitglied der Geschäftsleitung. Manchmal werden die Mitarbeiter auch direkt Zielscheibe von Verdächtigungen. Eine Mitarbeiterin sei beim Arzt angepöbelt und als „Mörderin“ bezeichnet worden, schildert Pischel. „Das hat alles Dimensionen angenommen, das ist nicht mehr normal.“

Bewohnerin: „Klar hat es uns berührt, als wir das erfahren haben“

Den Bewohnern der Einrichtung kommen Beschwerden nicht über die Lippen. An einem großen Holztisch sitzen sieben Frauen, Pflegerinnen verteilen Handtücher, die die Teilnehmerinnen zusammenfalten sollen. Fein säuberlich auf einen Stapel an ihrem Platz. Nachher soll noch ein Märchen gezeigt werden. Welches, ist eine Überraschung. Darauf freut sich auch Anni Rumpf. Die 94-Jährige sitzt im Rollstuhl und kann nichts Schlechtes an ihrer Unterkunft finden. „Hier wird uns jeder Wunsch erfüllt, wir können uns nicht beklagen“, sagt sie. Natürlich hätten sie einen Schreck bekommen, als die Nachricht vom Unglücksfall die Runde machte. „Aber das Leben geht normal weiter hier“, sagt sie. Ihre Mitbewohnerin Sigrid Heidrich sieht das ähnlich. „Klar hat es uns berührt, als wir das erfahren haben“, meint die 87-Jährige. Einen Effekt auf ihr Befinden habe der Tod des Mitbewohners aber nicht gehabt.

44 Pflegebedürftige wohnen in der Einrichtung. 40 Mitarbeiter umsorgen sie. Seit sieben Jahren gibt es die Villa Terra bereits, die unter dem Dach des Trägers Projekt 3 steht. Zu ihren Vorzeigebereichen zählt auch jener, der sich mit den Sinneswelten beschäftigt. Eigentlich. Denn hier unten, auf der untersten Ebene der vollkommen auf Rollstuhlfahrer und Rollbetten eingestellten Räumlichkeiten, geschah das Unglück.

Einrichtung hat Psychologen eingeschaltet

Hinter einer roten Tür sollte der 79-jährige Rentner gebadet werden. „Wir nehmen das Bad als Element gern, um die Wahrnehmungsbereiche zu aktivieren“, sagt Barbara Klose. Die Sinneswelt ist für jene gedacht, die sehr hohe Pflegebedürftigkeit genießen. Sieben Personen sind hier untergebracht. „Da arbeiten wir mit Düften, Berührung, Klang oder Geschmack“, sagt Klose. Im Raum selbst, neben dem ein kleines Holzschild mit dem Aufdruck „Bad“ angebracht ist, erinnert nichts an die Tragik von vor zwei Wochen, der Badegang eines Bewohners ist eben erst vorbei. Rote Mohnblumen zieren die Wände, fein säuberlich liegen bunte Handtücher im Regal. In der Mitte des Raumes strahlt eine blank geputzte, weiße Badewanne, daneben hängt an der Decke ein lilafarbener Lift.

„Es ist noch alles sehr präsent. Es gibt viele Momente, gerade wenn man unten im Bad steht, in denen die ganze Sache wieder hochkommt“, sagt Pischel. Nach dem Vorfall habe sie einige Gespräche geführt, schildert Leiterin Barbara Klose. Und, ergänzt ihr Kollege René Pischel, einen Psychologen eingeschaltet. „Ohne professionelle Hilfe geht es in einer solchen Situation nicht.“ Die Frage nach den Gründen für dieses zuvor unvorstellbare Unglück nagt an den beiden. „Wir fragen uns immer wieder: ,Was hätte besser laufen können?’“, sagt Pischel. Sicherlich könne man jetzt über ein Display zur Temperaturregulierung nachdenken. „Aber auch dann machen Menschen Fehler und verlassen sich vielleicht auf die Technik.“ Geprüft werde eine solche Einrichtung ja ohnehin „fast besser als ein Atomkraftwerk“.

Die vergangenen beiden Wochen werden alle Beteiligten der Villa Terra noch lange begleiten. Geradezu liebevoll sind die einzelnen Vasen und Kissen drapiert, mit Sprüchen oder Herzen. Bald ist Ostern und die Sehnsucht nach Normalität ist zum Greifen. „Wir haben aus unserer Sicht nichts verkehrt gemacht“, sagt Heimleiterin Klose. „Vorige Woche haben wir sogar zwei neue Bewohner aufgenommen.“ Das sei, in der ganzen schweren Zeit, ein Tropfen auf den heißen Stein.

(mz)

Das ist der Wegweiser vor dem Pflegeheim „Villa Terra“
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Maik Schumann